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Die pfiffige Magd

Eine Produktion des
Mädchengymnasium Borbeck & Gymnasium Borbeck

Komische Oper in drei Akten von Julius Weismann

Aufführungen am 15. und 18. März 1994
in der Aula des Mädchengymnasium Borbeck,
Essen

Pernille ist für den Haushalt ihres Arbeitgebers Vielgeschrey, dem Mann der keine Zeit hat, unentbehrlich. Sie ist Hausmädchen, Köchin, Kammerdiener und Sekretär in einer Person. Die Haushälterin Magdelone, ledig und deshalb von den Schreibern verspottet, beklagt ihr schweres Schicksal: Vielgeschrey hat zwar versprochen, ihr einen Mann zu verschaffen, doch ihr Wohl wird vernachlässigt, weil er so gar keine Zeit hat. Leonore, Vielgeschreys Tochter, ist verliebt in Leander, der aber noch nicht bei Vielgeschrey vorsprechen konnte, weil diesem die Zeit dafür fehlt. Sie und Magdelone bitten Pernille um Hilfe …

Inhalt

1. Akt

Vorspiel

Vorspruch

Die pfiffige Magd Pernille stellt den Zuschauern die Personen der Handlung vor, „damit Ihr könnt‘ verstehen, was Ihr gleich werdet sehen!“

1. Szene

Pernille ist für den Haushalt ihres Arbeitgebers Vielgeschrey unentbehrlich. Sie ist Hausmädchen, Köchin, Kammerdiener und Sekretär in einer Person. „Im Haus ist nur ein Wille: Pernille, stets Pernille!“

2. Szene

Die Haushälterin Magdelone, ledig und deshalb von den Schreibern verspottet, beklagt ihr schweres Schicksal: Vielgeschrey hat zwar versprochen, ihr einen Mann zu verschaffen, doch ihr „Wohl wird vernachlässigt, weil er so gar keine Zeit hat.“

3. Szene

Leonore ist verliebt in Leander, der aber noch nicht bei Vielgeschrey versprechen konnte, weil diesem die Zeit dafür fehlt. Sie und Magdelone bitten Pernille um Hilfe.

4. Szene

Vielgeschrey will wegen der Unzuverlässigkeit seiner Schreiber am liebsten seine Geschäfte selber erledigen, scheitert aber daran, dass er zu lange überlegt, womit er beginnen soll, zu ausgiebig über seine Zeitnot stöhnt und sich schließlich bei diesen Tätigkeiten so verausgabt, dass er sich anschließend ausruhen muss.

5. Szene

Leander stellt sich Herrn Vielgeschrey vor, doch als er sein Anliegen vortragen will, wird dieser völlig in Anspruch genommen durch seine Schreiber, sowie Barbier, Bauer und Schneider, die plötzlich erscheinen. „Alles auf einmal, ’s ist zum Verzweifeln!“

6. Szene

Leander bittet Viegeschrey um Leonores Hand, wird aber abgewiesen, da er, anders als Eriksen, Vielgeschreys Wunschkandidat und „Buchhalter von Gaben,“ nicht einmal bis fünf zählen kann. „Noch heute abend wird Leonore Frau Buchhalter sein!“

7. Szene

Vielgeschrey offenbart Leonore seine Heiratspläne. Diese ist verzweifelt, doch Vielgeschrey „hat keine Zeit, länger noch mit ihr zu reden“ und macht sich auf den Weg zu Eriksen.

8. Szene

Pernille sichert Leonore ihre Hilfe zu: „Leander wird noch heute für immer dir vereint!“

9. Szene

Pernille nützt die Abwesenheit Vielgeschreys dazu, Leonore, Leander und dessen Freund Oldfux ihren Plan zu erläutern, nach dem Leander als Eriksen verkleidet Leonore heiratet und Magdelone den echten Buchhalter erhält. Voller Hoffnung sehen die vier den Ereignissen entgegen.

2. Akt

1. Szene

Pernille macht Magdelone weis, dass Vielgeschrey beschlossen habe, sie noch heute abend „nun endlich zu vermählen.“

2. Szene

Vielgeschrey hat nur Eriksens Vater angetroffen, ihn aber für drei Uhr zur Verlobung bestellt. Er diktiert den Schreibern Hochzeitseinladungen.

3. Szene

Leander stellt sich Vielgeschrey als Eriksen vor.

4. Szene

Leonore und Leander verloben sich. Als Vielgeschrey den Schwindel zu bemerken droht, lenkt Pernille ihn mit einem Trick ab. Leander, Leonore und Oldfux können verschwinden.

5. Szene

Oldfux überbringt Vielgeschrey als Bote Leanders einen Brief, in dem dieser ihn wissen lässt, „dass Leander ihm einen Prozess anhängen will, weil er seine Tochter einem ander’n geben will.“ Pernille rät ihm, er solle sich „mit einem Advokaten beraten.“

6. Szene

Während Vielgeschrey einen Brief an Leander verfasst, „um ihn von dem Prozess abzuschrecken“, bemerkt er nicht, dass der richtige Eriksen auftritt und sich mit Magdelone verlobt, die er für Leonore hält und auf dessen Geld er aus ist. Die beiden ziehen sich zurück.

7. Szene

Der als Advokat Doktor Krempel verkleidete Oldfux verwirrt Vielgeschrey dermaßen, dass letzterer erschöpft ins Bett geht, „um dort zu überlegen, wer ihm geschickt den Segen.“

8. Szene

Pernille, Oldfux und die beiden Paare denken über das Geschehene und das Kommende nach.

3. Akt

Präludium

1. Szene

Leonore freut sich auf ihre Heirat.

2. Szene

Durch die Lüge, dass Magdelone mit einem der vornehmsten Leichenbitter der Stadt, als den Pernille Eriksen einführt, verlobt ist, arrangiert sie bei Vielgeschrey auch die zweite Heirat.

3. Szene

Vielgeschrey begrüßt den Notar, die Hochzeitsgäste und die beiden Paare. Pernille und Oldfux verhindern, dass er bei den anschließenden Trauungen den Komplott bemerkt.

4. Szene

Vielgeschrey redet Eriksen als Leichenbitter an, so dass der Schwindel auffliegt. Nach einem Tobsuchtsanfall, in dem er sich für Karl den Großen hält, muss er sich den Geschehnissen beugen. Als Eriksen erfährt, dass „tausend Taler, ganz genau, hat erspart sich seine Frau“, kann auch er in die Freude der anderen mit einstimmen.

Schlusswort

Pernille deutet an, dass sie daran denkt, sich mit Oldfux zu vermählen und wünscht den Zuschauern ein gute Nacht.

Arne Kovac

Fotos

Besetzung

INSZENIERUNGThomas Krieger
BÜHNENBILDChristina Padberg
MUSIKALISCHE LEITUNGArne Kovac
  
Herr VIELGESCHREY, der Mann, der keine Zeit hatFrank Wilde
LEONORE, seine TochterSusanne Soemer
PERNILLE, Magd bei Herrn VielgeschreyBritta Steffens
MAGDELONE, HaushälterinMichaela Leik
LEANDER, Leonorens GeliebterBjörn Huestege
ERIKSEN, ein BuchhalterDirk Hofäcker
OLDFUX, ein Freund LeandersMartin Schaefer
Christen FEDERMESSER,Jörn Walde
Jens SANDBÜCHS,Stephan Tekath
Lars TINTENFAß, Schreiber bei Herrn VielgeschreyRoland Rückert
Ein BARBIEROliver Schürmann
Ein BAUERThomas Krieger
Ein SCHNEIDERAnsgar Weber
Ein NOTAROliver Schürmann
NOTARGEHILFENChristina Kallabis, Ansgar Weber
HOCHZEITSGÄSTEJessica Abs, Christa Bull, Andreas Filthuth, Heike Fischer, Dieter Flake, Simone Horoba, Kathrin Hülsmann, Yvonne Lauber, Claudia Rupp, Heike Rupp, Darena Thiesbüger
  
KLAVIERArne Kovac, Stephan Müller
PAUKENMatthias Pollack
SCHLAGZEUGAnja Lazar
  
BELEUCHTUNGThomas Krieger, Sabine Mach, Daniela Wendering
BESCHALLUNGFrank Wieschenberg
MASKESabine Prause
HERSTELLUNG DES BÜHNENBILDESArne Kovac, Christina Padberg, Martin Schaefer, Oliver Schürmann, Darena Thiesbürger, Michael Wilczek

Autor

Julius Weismann

200 Lieder, 10 Streichquartette, 4 Klavierkonzerte, 4 Sinfonien, 6 Opern – nur ein Ausschnitt aus dem Lebenswerk des Komponisten Julius Weismann. Zweifelsohne war er eine der bedeutenden musikalischen Persönlichkeiten seiner Zeit. Obwohl er keinen neuen Musikstil schuf, in der Kunst gar „Fortschritt“ für unmöglich hielt, prägte er das musikalische Geschehen des anbrechenden 20. Jahrhunderts.

Julius Weismann wurde am 26. Dezember 1879 als Sohn des berühmten Zoologen und Erbforschers August Weismann und dessen Frau Mary in Freiburg geboren. Als jüngstes von fünf Kindern galt Julius zunächst als unmusikalisch. In ihrem Tagebuch vermerkte seine Mutter am 21. März 1882: „Seine musikalischen Anlagen zeigen sich noch nicht in hervorragender Weise, wie dies bei Hedwig und Therese in dem Alter war. Er singt nur ,Kommt eine Vogel geflogen‘ und dies ziemlich falsch.“ Als jedoch der Vater 1895 einen Musiksaal an sein Haus anbauen ließ´, erwachte in Julius das Interesse für Musik. Gerne saß er dort und lauschte seinen Eltern beim gemeinsamen Klavierspiel.

Diese Familienidylle wurde jedoch jäh unterbrochen, als im darauffolgenden Jahr – der kleine Julius war gerade 6 Jahre alt – Mary Weismann starb. Als Folge dieses schmerzhaften Verlustes wurde die Beziehung zwischen Vater und Sohn umso stärker, August Weismann wurde in den folgenden 28 Jahren bis zu seinem Tod zum besten Kameraden des jungen Knaben.

Julius Weismanns Kindheit wurde überzeichnet von einem schweren Leiden, das er sich durch einen Sonnenstich zugezogen hatte. Dieser verhinderte jegliche längere Konzentration durch unerträgliche Kopfschmerzen, so dass ein längerer Schulbesuch nicht möglich war. Julius erhielt von seinem Vater einen Privatlehrer im Rahmen des möglichen Unterrichts. Über diese Zeit vermerkte der Komponist später in seiner (unvollendeten) Autobiographie: „Die Schule war mir verloren und ich ihr, Gottlob, auch. (…) So bin ich, durch die Verhältnisse gezwungen, zu einem Menschen geworden, der niemals – man schaudere – ein Examen abgelegt hat!“ Der „dumme Kopf“ verhinderte auch längeres Klavierspiel nach Noten, so dass Julius gezwungen war zu improvisieren, was seine Musikalität in immenser Weise förderte, so dass er trotz wenig Klavierunterricht mit zehn Jahren ein guter Klavierspieler war. Sein Vater schickte ihn daher an die Münchener Musikhochschule, wo er unter Rheinberger und Bußmeier geschult wurde.

1893 zogen die Weismanns jedoch nach Sils-Maria im Engadin, wo die Ruhe und Stille der Berge den Genesungsprozess Julius‘ fördern sollte. In den Bergen machte er eine wichtige Erfahrung für sein weiteres Leben. Julius war schon bald von der Bergwelt fasziniert und entwickelte von diesem Punkt an eine tiefe Liebe zur Natur: Bergsteigen wurde zu einer großen Leidenschaft des Musikers. Er selbst bezeichnete sich später als „halb Felsgestein, halb Musik“. Des weiteren lieferte ihm jedoch die Natur auch häufig die Inspiration für seine musikalischen Werke. Im Gegensatz zu vielen Komponisten schuf Weismann seine späteren Werke selten am Instrument, sondern in der freien Natur. Er war gegen jede Form erarbeiteter Musik, für ihn zählte der „musikalische Einfall“.

1895 konnte der mittlerweile 15-jährige Julius wieder Klavierunterricht nehmen; sein Lehrer war der Liszt-Schüler Hermann Dimmler. 1896 schloss sich ein zweijährigen Sprachstudium in Lausanne an, bevor Julias Weismann nach Berlin zog, um dort sein musikalisches Wissen zu erweitern. Die „akademisch überhebliche, musikalisch verbrämte – und verbrahmste – Atmosphäre“ bei Prof. Stumpf ließen ihn jedoch diesen Entschluss bald bereuen, so dass er nach München zurückkehrte , wo er sich der Gruppe um Ludwig Thuille anschloss. Obwohl es auch hier gewisse musikalische Differenzen gab, nahm er aus dieser Zeit viel für sein weiteres musikalisches Leben mit.

Während dieser Jahre lernte Weismann auch die Konzertsängerin Anna Hecker kennen, mit der er viel musizierte. 1902 wurde sie seine Frau, 1904 der Sohn Carl August geboren, ihm folgte bald die Tochter Ursel. Im Jahre 1906 kehrte Julius Weismann in seine Geburtsstadt Freiburg zurück, wo er neben seiner komponierenden Tätigkeit als Pianist und Dirigent arbeitete.

Den Zenith seines Werkes erreichte Weismann zweifelsohne in den 20-er Jahren. Hier entstanden fünf seiner sechs Opern, die alle zu großen Erfolgen wurden. Der Name Julius Weismann wurde immer mehr zu einem festen Begriff in der Musikwelt. Seine Bekanntheit wuchs, seine Werke füllten die Konzert- und Opernsäle. Ehrungen blieben daher nicht lange aus. 1929 wurde er von der preußischen Akademie der Künste in ihren Kreis aufgenommen, ein Jahr später verlieh sie ihm den Beethoven-Preis. In Freiburg gründete Weismann zur selben Zeit das Freiburger Musikseminar (die spätere Freiburger Musikhochschule), wo er selbst die Meisterklasse unterrichtete. Nach sechs Jahren wurde ihm der Titel Professor verliehen.

1938 konnte Weismann nach mehreren Jahren endlich ein lang gehegtes Vorhaben in die Tat umsetzen. Er vertonte die alte Komödie „Viel Geschrei um wenig Wolle“ des skandinavischen Dichters Ludwig Holberg und schuf damit eines seiner erfolgreichsten Werke: „Die Pfiffige Magd“, die 1939 in Leipzig uraufgeführt wurde und durchwegs gute Kritiken erhielt. Sie gehörte in den Folgejahren zu den Spielplänen vieler Opernbühnen in ganz Deutschland. Im darauffolgenden verlieh im die Premierenstadt Leipzig den Bachpreis. In Freiburg wurde Julius Weismann zum Ehrenbürger ernannt.

Ausgerechnet auf dieser Welle des Erfolges zog sich der an sich ruhige und zurückhaltende Julius Weismann aus dem öffentlichen Leben zurück. Nie ein „Stadtmensch“ gewesen, zog er die Berglandschaft in Nußdorf am Bodensee dem Freiburger Großstadtleben vor. In dem Wagner-Enkel Wieland Wagner fand Weismann zudem in Nußdorf einen Weggefährten und guten Freund, der sich insbesondere in den Jahren nach 1941, wo sich bei Julius Weismann bereits erste Krankheitszeichen bemerkbar machten, in rührender Weise um den Komponisten kümmerte.

Trotz allem verlor Weismann nie die Liebe zur Musik. Zwar hatte sich der Musikgeschmack von den klassizistischen Kompositionen eines Julius Weismann zur Avantgarde hingewandt, doch dies störte Weismann nicht. Er komponierte weiterhin eifrig, und obwohl er mehr und mehr von den großen Bühnen verschwand, so fand man ihn häufig bei Hauskonzerten im engen Freundeskreis. Am 22. Dezember 1950 – vier Tage vor seinem 71. Geburtstag – starb Julius Weismann in Singen am Hohentwiel. Er war stets ein zurückhaltender Mensch, jedoch nie ein Menschenfeind. Er war Einzelgänger, aber nie intolerant.

Julius Weismann war ein Mensch, der beständig an seinem Weg festhielt. Ein zeitgenössischer Kritiker beschrieb ihn als einen „Schaffenden, der aus einer Zeit der Geborgenheit in die Umwertung aller Werte hinüberlebend, unbeirrt und unbeirrbar den Weg ging, den ihn sein Genius wies.“

Diese Konsequenz entgegen aller Trendentwicklung zeigt den großen Künstler Julius Weismann.

Dirk Hofäcker

Aus dem Programmheft

Pernille – Die pfiffige Magd?

Julius Weismann selbst war es, der die Magd Pernille aus einer – sagen wir einmal – besseren Nebenrolle, die sie noch in „Viel Geschrei um wenig Wolle“ spielte [So lautet der Titel des Lustspiels des dänischen Dichters Ludwig Holberg, das die Grundlage für „Die pfiffige Magd“ darstellt; Anm. d. Red.], herausgehoben hat und sie nicht nur zur Hauptfigur, sondern sogar zur Ti­telheldin seine Oper gemacht hat. Doch schauen wir sie uns einmal etwas genauer an!

Am Anfang des Stückes stellt sie sich ja dem Publikum vor, und wir erfahren, dass sie sich für eine außerordentliche Person hält („Der Titel des Stücks heißt nach mir – das ist doch gewiss am Platze hier.“), die nicht nur über den anderen Figuren, die sie vorstellt, zu stehen glaubt, son­dern sogar aus dem Stücke heraustritt, bevor es noch richtig angefangen hat. Da wird man an gute Brechtsche Tradition erinnert, wenn man hört und sieht, wie Pernille ständig zwischen kommentierender Rahmenhandlung (Vorstel­lung der Figuren, Anrede des Publikums, …) und Aktion als pfiffige Magd hin- und herspringt und dabei die eigentlich unumstößliche Tren­nung Schauspieler/gespielte Figur aus der Vor­lage des 18. Jahrhunderts einfach über Bord wirft („Da ich viel darin muss sagen, beim Stu­dium mich musste plagen.“).

Und weiter geht es in der 1. Szene, in der Pernil­le all ihre rühmlichen Taten und Aufgaben be­singt, so dass ihre tragende Rolle vom Zuschauer nicht mehr in Frage gestellt werden kann, zumal keiner anderen Figur Gelegenheit gegeben wird, ein kritisches Wort über die brave Magd zu äu­ßern. Dein aufmerksamen Zuschauer entgeht si­cherlich nicht das Eingeständnis ihrer kaum beschränkten Machtposition, die Pernille in ih­rer Arie bekennt: „Dabei führ‘ ich die Zügel: Im Haus ist nur ein Wille: Pernille, stets Pernille!“

Vielleicht stellt sich nun die Frage nach Pernilles Charakter, der so gar nicht zu dem einer pfiffigen Magd zu passen scheint. Betrachtet man zum Beispiel ihren Umgang mit der Haus­hälterin Magdelone, so stellt man fest: Wenn sich die beiden unterhalten, heuchelt Pernille tiefes Mitgefühl („Ach, die arme Magdelone!“) und will dafür sorgen, dass auch sie zu einem Ehemann gelangt. Hinter ihrem Rücken aber lacht sie über den von Magdelone beklagten Spott der Schreiber („Trinken wir auf Magdelo­nens Wohl, wollte Gott, die alte Orgel wäre schon verheiratet!“) und übt Kritik an ihrer Ge­schwätzigkeit. Doch was die Sache mit einem Mann für Magdelone angeht, spielt Pernille auch hier nicht mit offenen Karten („Da der Herr nun doch dabei, seiner Tochter Sehn­suchtsschrei nach Leander heut‘ zu stillen, hat er auch den festen Willen, Euch nun endlich zu vermählen …“), sondern benutzt die arme Mag­delone quasi als Abstellgleis für den bei aller Kuppelei übrig gebliebenen Buchhalter Eriksen, der Magdelone dann ja auch nur ihres Spar­strumpfes wegen heiratet und über den Pernille zu Leonore sagt: „Ist Eriksen geschaffen, in dei­nem Arm zu ruh’n? Ein Tintenfass wär‘ grade gut genug!“

Auch in Bezug auf ihren Arbeitgeber ist sie kei­neswegs pfiffig, sondern in schädigender Weise gerissen; denn sie ist dafür verantwortlich, dass der gute Vielgeschrey nicht einmal dazu kommt, in Ruhe Luft zu holen und sein Leben in geord­nete Bahnen zu lenken, da sie, anstatt Ordnung zu schaffen, nur Chaos produziert, indem sie ih­ren Herrn mit lauter unnützen und schlecht ko­ordinierten Terminen überschüttet. Somit er­scheint der Hausherr viel dümmer und vertrot­telter, als er in Wahrheit ist; die Rechenaufgabe zum Beispiel, die er seinem vermeintlichen zu­künftigen Schwiegersohn stellt, zeugt von sei­nem nur durch Pernilles dauernde Bevormun­dung verdeckten Scharfsinn („Wenn jemand hundert Tonnen Roggen nach dem Gewicht ver­kauft, könnte er nicht mehr dafür bekommen, wenn er statt nach Tonnen nach Ellen oder Mei­len verkauft?“).

Am Ende erreicht Pernille zwar ihr Ziel, näm­lich die Zusammenführung der beiden Paare, aber um welchen Preis? Magdelone und Eriksen wurden böse hinters Licht geführt, und der gute Vielgeschrey, der in Holbergs Vorlage noch Sinnbild der Kritik am aufkommenden Bürger­tum und an der Schnelllebigkeit menschlichen Daseins war, verkommt zu einem verwirrten Trottel, der von seinen Hausangestellten und seiner Familie an der Nase herumgeführt wird. Da hilft es auch nichts mehr, wenn Pernille in ihrem Epilog den Wunsch nach mehr Besonnen­heit im Leben aufgreift („Nun, da wir uns bald trennen und uns’rer eignen Wichtigkeit nach­rennen, wünsch‘ ich, mög‘ ein wenig von allem noch leis in Euren Ohren nachhallen!“).

Fazit: Für mich ist Pernille keineswegs die pfiffige Magd, als die sie sich dein Publikum einführt. Sie ist nicht nur die, die mit spitzer Zunge und klaren Gedanken dazu beitragen will, ihren Mitmenschen bzw. Mitfiguren ein bisschen Glückes zu verschaffen, sondern ihre Persön­lichkeit ist scharf gespalten in ihre noblen Ab­sichten und die Wege, die dahin führen sollen. Somit, denke ich, will uns Julius Weismann nicht einfach die alte Holbergsche Weisheit von Laster der übertriebenen Geschäftigkeit mit auf den Weg geben, sondern am Beispiel seiner Ti­telfigur Pernille macht er deutlich, dass in jedem Menschen Licht und Schatten nahe beieinander liegen und dass erst das Gesamtbild eines Men­schen ein annähernd realistisches Urteil über ihn zulässt.

Also, Pernille – eine pfiffige Magd? Ich denke schon, aber sicher nicht einfach der Engel aus dem Hause Vielgeschrey!

André Remy

Presse

Diese Magd kann sich sehen lassen

Viel Beifall für Opern-Aufführung der Borbecker Gymnasien

Schultheater sind vielerorts zu einer liebenswerten Institution geworden. Doch was die Schülerinnen und Schüler sowie die Ehemaligen der drei Borbecker Gymnasien jedes Jahr zur Auffüh­rung bringen, ist zweifellos etwas Besonderes. Nicht nur, daß sich das Ensemble aus drei Schulen zusam­mensetzt, auch das Stück selbst dürfte auf den Spielplänen der Lai­entheater eher die Ausnahme sein: „Die pfiffige Magd“, eine Oper von Julius Weismann.

Mit diesem musikalischen Büh­nenwerk setzt die Truppe um Arne Kovac die Reihe der vor vier Jahren begonnenen Operninszenierungen fort. Zuvor gelangten bereits „Die Kluge“ von Carl Orff, Johann Schenks „Der Dorfbarbier“ und das selbstgeschriebene Musical „Mord im Morgengrauen“ zur Auffüh­rung. Wieder investierten die Dar­steller viel Fleiß, um das Stück ein­zustudieren. Ein dreiviertel Jahr trafen sie sich zweimal wöchent­lich zur Probe. Soviel vorneweg: Das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Die 1939 in Leipzig ur­aufgeführte Oper geriet auch in der Aula des Mädchengymnasiums Borbeck zum Erfolg.

Die Handlung des Stücks ist auf den ersten Blick nach dem alten Muster der komischen Oper des 18. und 19. Jahrhunderts gestrickt: Da ist die Tochter, die ihren Geliebten Leander nicht heiraten kann, weil ihr Vater bereits einen anderen, den Buchhalter Eriksen, gefunden hat. Da ist die schlaue Magd, die sich einen Plan mit allerlei Verklei­dungen, Verwechselungen und Verstellungen überlegt. Und da ist schließlich der Schluß, der wie (fast) immer, alle Probleme besei­tigt.

Die Titelheldin Pernille, über­zeugend gespielt und gesungen von Britta Steffens, stellt sich gleich zu Beginn des Stücks dem Publikum vor. Sie glaubt, über ihre anderen Mitspieler zu stehen und kommen­tiert in Brechtscher Tradition immer wieder die Handlung. Pernille führt als pfiffige Magd den Haus­halt im Hause des Herrn Viel­geschrey. Ihr Dienstherr stöhnt so eifrig über die ihm nicht vergönnte Zeit, daß er in der Tat selten dazu kommt, seine Geschäfte zu erledi­gen. Ursache dafür ist Perniells Or­ganisation, denn sie überschüttet ihren Herrn geradezu mit Terminen. Verwicklungen bleiben da nicht aus.

Alle Mitspieler sind mit Spaß und Spielfreude bei der Sache. Ein Lob vor allem den vielen guten Stimmen und der ausgezeichneten musikalischen Begleitung von Arne Kovac. Zweifellos: dieser Opernbesuch war etwas Besonde­res. Viel Beifall.

Borbecker Nachrichten vom 24.03.1994

Ehemalige Schüler als Opernsänger

Pfiffige Magd im MGB

Ehemalige Schülerinnen und Schüler der drei Borbecker Gymnasien führen am Dienstag, 15., und am Freitag, 18. März, jeweils um 19 Uhr in der Aula des Mädchengymnasiums, Fürstäbtissinstraße, die Oper „Die pfiffige Magd“ von Julius Weismann auf. Karten zum Preis von 6 DM, ermäßigt 3 DM, gibt es in der Geschäftsstelle der Borbecker Nachrichten, Vickestraße 16, und an der Abendkasse.

Borbecker Nachrichten vom 10.03.1994