Musik und Liedtexte von Stephen Sondheim
Text von James Lapine
Ursprünglich inszeniert am Broadway von James Lapine
Deutsche Übersetzung von Michael Kunze
Aufführungen am 5. und 6. März 2004
in der Aula des Mädchengymnasium Borbeck,
Essen
Anhand mehrerer Figuren aus Grimms Märchen (Rotkäppchen, Aschenputtel, Hans mit der Bohnenstange, Rapunzel) wird gezeigt, dass die Menschen nur überlebensfähig sind, wenn sie zusammen agieren, anstatt ihre Partikularinteressen zu verfolgen. Im ersten Akt werden immerhin vier komplette Märchen durchgespielt, alles miteinander verwoben durch ein Bäckerehepaar, das zur Beseitigung eines Fluches vier Gegenstände auftreiben muss. Am Ende des ersten Aktes scheint jeder sein Ziel erreicht zu haben: Der Fluch ist gelöst, die Hexe jung und schön, Aschenputtel hat ihren Prinzen geheiratet, Rotkäppchen hat den Wolf überlebt, Hans mit der Bohnenstange ist reich und und und. Der Zuschauer ist fast geneigt nach Hause zu gehen, nur der Hinweis des Erzählers „Fortsetzung folgt“, einen Takt vor Schluss deutet darauf hin, dass es noch weiter geht. Im zweiten Akt kommt dann alles ganz dicke: Hans mit der Bohnenstange hat nämlich im ersten Akt einer Riesenfamilie mehrere Dinge gestohlen und in einer Verfolgungsjagd hat ein Riese den Tod gefunden. Dessen Frau kommt nun im zweiten Akt auf die Bühne und trampelt auf der Suche nach Hans alles platt, was sich bewegt. Mehrere Leute sterben und die Leute erkennen, wie machtlos jeder einzelne gegenüber diesen Riesen ist.
Inhalt
Erster Akt
„Es war einmal in einem fernen Reich ein Mädchen, ein trauriger Jüngling und ein kinderloser Bäcker mit seiner Frau.“ So beginnt der Erzähler seine Geschichte. Während Aschenputtel verzweifelt versucht, den Galaball des Prinzen zu besuchen, von seiner Schwiegermutter aber nicht mitgenommen wird, sind Hans und seine Mutter so arm, dass diese ihn beauftragt, die Kuh Milchweiß, die keine Milch mehr gibt, auf dem Markt zu verkaufen. Rotkäppchen, das auf dem Weg in den Wald ist, um seine Großmutter zu besuchen, kauft noch beim Bäcker Brot und Gebäck ein. Dieser ist ziemlich verzweifelt, da er und seine Frau keinen Nachwuchs bekommen. Die Hexe von nebenan erklärt den beiden, dass ein Fluch auf ihnen lastet, da der Vater des Bäckers vor vielen Jahren im Garten der Hexe Zauberbohnen gestohlen hat. Zur Strafe verlangte die Hexe das neugeborene Baby der beiden, die kleine Schwester des Bäckers, Rapunzel, und legte den Fluch der Unfruchtbarkeit auf die Bäckerfamilie. Um die Verwünschung aufzuheben, muss sich die Hexe einen Trank brauen und verlangt von dem Bäckerehepaar, dass es hierzu vor Ende der dritten Mitternacht vier Dinge besorgen soll: „Die Kuh so weiß wie Milch, das Mäntlein rot wie Blut, das Haar so gelb wie das Korn, den Schuh aus purem Gold.“ Sofort macht sich der Bäcker auf den Weg.
So begibt sich Aschenputtel in den Wald, um das Grab seiner Mutter aufzusuchen. Und tatsächlich erfährt sie dort Hilfe, der Baum auf dem Grab erfüllt Aschenputtels Wunsch und überschüttet sie mit Gold und Silber, so dass sie unerkannt auf den Galaball gehen kann. Rotkäppchen trifft auf dem Weg zur Oma den Wolf, der das kleine Mädchen vom Weg abbringt, um so erst die Oma und später Rotkäppchen selbst zu verspeisen. Der Bäcker ahnt zwar schon nichts Gutes, als er beide beobachtet, ist aber doch mehr an dem roten Mantel des Mädchens interessiert. Jedoch bringt er es nicht übers Herz, Rotkäppchen den Mantel abzunehmen. Die Frau des Bäckers ist ihrem Mann in den Wald unter einem Vorwand gefolgt, und gemeinsam gelingt es beiden, Hans, der auf dem Weg zum Markt ist, die Kuh im Tausch gegen fünf der gestohlenen Zauberbohnen zu tauschen. In der Zwischenzeit ist ein Prinz auf Rapunzel, die in einem Turm ohne Türen und Fenster eingesperrt ist, aufmerksam geworden und will sie unbedingt kennen lernen. Rotkäppchen erliegt ihrem Schicksal und wird von dem Wolf verspeist. Der Bäcker ist dem Mädchen gefolgt, um doch noch an den Mantel zu kommen und befreit mehr oder weniger unfreiwillig das Mädchen und die Oma aus dem Bauch des Wolfes. Zur Belohnung schenkt ihm Rotkäppchen seinen Mantel. Hans‘ Mutter ist außer sich, dass ihr Sohn die Kuh gegen fünf Bohnen getauscht hat und wirft die Bohnen weg. Kurz vor Mitternacht trifft die Bäckersfrau auf das vom Ball flüchtende Aschenputtel, das mit seinen goldenen Schuhen ins Stolpern gerät. Doch die Schuhe will das Mädchen nicht hergeben. Beide beobachten in der Ferne eine riesige Bohnenranke, die in den Himmel wächst. Hans ist auf dieser Bohnenranke in die Höhe geklettert und hat dort oben das Reich der Riesen entdeckt. Um seine geliebte Kuh zurückzukaufen, hat er dort oben Goldmünzen gestohlen. Doch der Bäcker will sich auf den Tausch nicht einlassen und Hans verspricht, noch mehr von dort oben zu holen. In der Zwischenzeit ist der Bäckersfrau die Kuh jedoch davongelaufen. Der Prinz ist verzweifelt auf der Suche nach Aschenputtel und trifft im Wald auf seinen Bruder, der seinerseits von seinem Leid mit Rapunzel berichtet. Auch die Bäckersfrau hat Rapunzels Turm entdeckt und reißt dem Mädchen das korngelbe Haar aus. Als die Frau jedoch zur zweiten Mitternacht wieder auf Aschenputtel trifft, hat sie erneut kein Glück und bekommt den Schuh erneut nicht. Doch der Bäcker hat von einem geheimnisvollen Mann die Kuh zurückbekommen, so dass beiden nur noch einer der vier Gegenstände fehlt. Als Hans jedoch erneut versucht, seine Kuh zurückzukaufen, stirbt Milchweiß. Der Bäcker will sich nun an dem letzten Tag um eine Kuh bemühen, während seine Frau versuchen will, den Schuh zu bekommen. Die Hexe hat inzwischen von Rapunzel und ihrem Prinzen erfahren und will nun dem Mädchen, welches sie streng beschützt hat, das wahre Leben zeigen. Sie verstößt sie in eine Wüstenei und stellt dem Prinzen eine Falle, durch die er blind wird. Rotkäppchen, das unterdessen auf Hans trifft, glaubt diesem nicht, dass es ein Riesenreich gibt. Hans will erneut zu den Riesen, um einen „Beweis“ zu stehlen. Kurz vor der dritten Mitternacht flieht Aschenputtel erneut vom Ball, hat aber auf den Stufen des Schlosses einen Schuh verloren, da der Prinz die Treppe mit Pech eingeschmiert hat. Der Bäckersfrau gelingt es, den anderen Schuh von Aschenputtel zu bekommen. Während der Prinz auf der Suche nach Aschenputtel ist, macht sich Hans‘ Mutter Sorgen um ihren Sohn. In ihrem Garten liegt ein toter Riese und die Bohnenranke ist umgehackt. Doch das scheint niemanden zu interessieren. Als Hans auftaucht, berichtet er, wie er den Riesen erschlagen hat. Pünktlich zur dritten Mitternacht erscheint die Hexe. Sie macht Milchweiß wieder lebendig und die Kuh wird mit dem Mantel, dem Haar und dem Schuh gefüttert. Doch nichts passiert, da die Hexe die Haare berührt hat. Der geheimnisvolle Mann taucht plötzlich auf und mit seiner Hilfe wird der Fluch gelöst. Dabei stellt sich heraus, dass er der Vater des Bäckers ist. Nachdem der Fluch gelöst ist, stirbt der geheimnisvolle Mann. Die Hexe gewinnt Jugend und Schönheit wieder, verliert aber ihre Zauberkräfte und der Prinz findet mit Hilfe des Schuhs sein Aschenputtel. Auch Rapunzel traf ihren Prinz und als zwei ihrer Tränen seine Augen berührten, konnte er wieder sehn. Alle, die es verdient hatten, bekommen ihr Glück und leben lange und glücklich bis ans Ende. „Fortsetzung folgt.“
Zweiter Akt
„Es war einmal, später, im selben fernen Reich, eine Prinzessin, der junge Hans und der Bäcker und seine Familie.“ So beginnt der Erzähler den zweiten Akt. Alle lebten trotz einiger Unvollkommenheiten glücklich, doch plötzlich wird das Haus des Bäckers zerstört. Schnell stellt sich heraus, dass ein Riese im Land sein Unwesen treibt. Der Bäcker berichtet den Vorfall im Schloss, doch die Prinzen sind nur mit ihrer Liebesqual beschäftigt, schließlich haben sie zwei schlafende Schöne entdeckt, eine in einem Dornenturm gefangen, die andere von einem Zwerg bewacht. Der Bäcker und seine Frau begleiten Rotkäppchen zu seiner Oma, doch der Wald ist verwüstet. Dort treffen sie auf die königliche Familie, die aus dem Schloss flüchten mussten, als der Riese kam. Als die Hexe dazukommt, erscheint plötzlich auch der Riese – nein, die Riesin. Es ist die Frau des Riesen, den Hans erschlagen hat. Sie will nun ihrerseits aus Rache Hans töten. Alle Versuche, die Riesin zu beruhigen, schlagen fehl und bei dieser Auseinandersetzung sterben der Erzähler, Rapunzel und Hans‘ Mutter. Die königliche Familie ergreift die Flucht, die Hexe will Hans suchen, um ihn auszuliefern. Die Bäckerfamilie und Rotkäppchen beschließen, Hans zuerst zu finden, um ihn vor der Riesin zu schützen. Bei der Suche trifft die Frau des Bäckers auf Aschenputtels Prinzen – beide schlagen sich in die Büsche. Doch scheint die Frau nur ein Abenteuer für den Prinzen zu sein, er verlässt sie nach dem kurzen Abenteuer vorgeblich, um die Riesin zu suchen. Diese nähert sich tatsächlich und die Frau des Bäckers ergreift die Flucht. Aschenputtel hat inzwischen das zerstörte Grab ihrer Mutter entdeckt und wird vom Bäcker getröstet, der sie mit zur Gruppe nimmt. Als sich der Bäcker gerade auf die Suche nach seiner Frau machen will, kommt die Hexe mit Hans dazu. Hans hat die Leiche der Bäckersfrau entdeckt und sie begraben. Während sich der Bäcker, Aschenputtel, Rotkäppchen und Hans nun gegenseitig Vorwürfe machen, wer Schuld an der ganzen Misere sei, beklagt die Hexe die angebliche Moral der vier und verschwindet. Auch der Bäcker will gehen, für ihn hat das Leben keinen Sinn mehr. Doch ein Gespräch mit seinem totgeglaubten Vater bringt ihn zur Gruppe zurück. Die vier schmieden einen Plan, wie sie die Riesin überlisten können. Sie wollen den Boden mit Pech beschmieren, Vögel sollen der Riesin die Augen auspicken und Hans und der Bäcker auf Bäumen sitzend die Riesin erschlagen. Während Hans, Rotkäppchen und der Bäcker das Pech besorgen, trifft Aschenputtel seinen Prinzen. Dieser erklärt seiner Frau, dass er nicht treu sein kann, woraufhin sich beide trennen. Der Plan, die Riesin zu töten, gelingt und die Riesin stirbt. Die vier Überlebenden beschließen, zusammen zu ziehen und das Baby gemeinsam aufzuziehen, da sie erkennen, dass niemand alleine überlebensfähig ist.
Thomas Krieger
Fotos
Besetzung
INSZENIERUNG | Kinga Szilágyi |
GESAMT- UND MUSIKALISCHE LEITUNG | Arne Kovac |
ERZÄHLER | Marc Weitkowitz |
ASCHENPUTTEL | Britta Steffens |
HANS | Carsten Steffens |
HANS’ MUTTER | Antonia Metken |
BÄCKER | Thomas Krieger |
FRAU des Bäckers | Dajana Finke |
Aschenputtels STIEFMUTTER | Carmen González |
FLORINDA | Claudia Schürkämper |
LUCINDA | Annika Hartmann |
ASCHENPUTTELS VATER | Jörg Weitkowitz |
ROTKÄPPCHEN | Tanja Beyersdorf |
HEXE | Kinga Szilágyi |
ASCHENPUTTELS MUTTER | Sabine Drees |
GEHEIMNISVOLLER MANN | Marc Weitkowitz |
WOLF | Björn Huestege |
OMA | Sabine Drees |
RAPUNZEL | Viola Offese |
RAPUNZELS PRINZ | Marcel Witte |
ASCHENPUTTELS PRINZ | Oliver Schürmann |
KAMMERDIENER | Tim Meier |
RIESIN | Melanie Zaparty |
MILCHWEIß | Melanie Zaparty |
QUERFLÖTE | Doris Meise |
KLARINETTE | Amelie Gundlach |
TROMPETE | Peter Mathias |
VIOLINE | Gerald Angstmann, Lena Höller |
VIOLA | Monika Meise |
VIOLONCELLO | Conrad Baege, Alexander Hasselhuhn |
KONTRABASS | Andreas Arntz |
KLAVIER/SYNTHESIZER | Björn Huestege, Stephan Müller |
PERCUSSION | Jojo Schwarz |
BELEUCHTUNG | Burkhard Angstmann, Laura Berger |
TON | Frank Wilde |
MASKE | Frauke Krüger |
BAUTEN | Sonja Schmitz, Jörg Weitkowitz |
REQUISITE | Thomas Krieger |
KOSTÜME | Dajana Finke, Kinga Szilágyi |
Autoren
Stephen Sondheim
Stephen Sondheim wurde am 22. März 1920 als Sohn eines wohlhabenden New Yorker Kleiderherstellers geboren. Als sich seine Eltern scheiden ließen, zog er mit seiner Mutter nach Bucks County in Pennsylvania. Der junge Stephen fand sich dort zur richtigen Zeit am richtigen Ort wieder. Ein Nachbar, Oscar Hammerstein II, arbeitete nämlich an einem Musical namens „Oklahoma!“ und es dauerte nicht lange, bis der jugendliche Stephen feststellte, dass er selbst auch vom Musiktheater fasziniert war. Obwohl er später Komposition mit Milton Babbitt studierte, wechselte er, um das anzuwenden, was er gelernt hat, an das höchst kommerzielle New Yorker Broadway. Wie Hammerstein, hat auch Sondheim gelegentlich Pop-Songs (mit Jule Styne für Tony Bennett) geschrieben und sich oberflächlich mit Filmmusik beschäftigt (Stavisky, Reds, Dick Tracy), aber er kehrte immer wieder zum Theater zurück.
Seinen ersten Erfolg hatte er etwas widerwillig als Textschreiber der Songs in Leonard Bernsteins „West Side Story“ (1957) und Jule Stynes „Gypsy“ (1959). Sondheims Philosophie drückte sich aber in einem seiner Songtitel aus: „I Never Do Anything Twice“. Sein erstes Stück als Komponist und Songtexter war „A Funny Thing Happened On The Way To The Forum“ (1962) – ein Stück, bei dem einige Leute erklärten, wie experimentell es war; in Wirklichkeit ist es noch immer die einzige erfolgreiche Musical-Farce. In den folgenden drei Jahrzehnten fanden Kritiker einen Sondheim-Stil heraus: eine Vorliebe für die harmonische Sprache, eine Abhängigkeit der Persönlichkeiten und Stimmungen in Harmonien, eine Destabilisation der Melodien; alles in allem eine Tendenz der Musik zu dichter Textnähe. All dies sagt vor allem aus, dass seine Arbeit sehr vielseitig ist, was noch immer sehr beeindruckt: So kann man keinen Song aus dem überschwänglichen Musical „Anyone Can Whistle“ (1964) gegen eine aus dem orientalisch beeinflussten Stück „Pacific Overtures“ (1976) austauschen; ebenso kann man die neurotischen Pop-Melodien von „Company“ (1970) nie mit den eleganten Walzer-Melodien aus „A Little Night Music“ (1973) verwechseln.
Sondheim ging mit großen Schritten den Siebzigern entgegen und formte eine einzigartige Partnerschaft mit Hal Prince: Ein Komponist und Song-Texter und ein Produzent und Regisseur arbeiteten zusammen, um das Musical neu zu beleben. Einige waren melodienarm (Company), andere charakterarm (Pacific Overtures), eines wurde zurückgestellt (Merrily We Roll Along). Doch Sondheim kannte das kulturelle Erbe Amerikas besser als irgendjemand. „Follies“ (1971) ist eine liebevolle und präzise Adaption von Berlin, Kern, Gershwin, Dorothy Fields, Yip Harburg… Selbst wenn es scheint, als würde er zu einer großen Tradition zurückkehren, war er ebenso eine glorreiche Summe all dieser.
Mit „Sweeney Todd“ (1979) erreichte die Zusammenarbeit Prince/ Sondheim ihren Höhepunkt, was Verschmelzung von Songtexten und Dialog, Songs und Melodien anging. Das ganze kombiniert mit einer komplexen Story und vielen Emotionen, und man hatte einen einzigartigen Musical-Thriller erschaffen. Aber ihr nächstes Werk, „Merrily We Roll Along“ (1981), war ein Flop, und beide Männer gingen getrennte Wege. Sondheim ging zum Autor und Regisseur James Lapine, um „Sunday In The Park With George“ (1984) zu schreiben, eine Arbeit, die, wie es schien, eine autobiographische Reflektion über die Probleme war, Kunst in einer kommerziellen Umgebung zu machen. Die meisten seiner neueren Stücke zeigen eine seiner größten Stärken: seine Fähigkeit, gegen die Themen-Erwartungen des Publikums zu schreiben. Für „Into The Woods“ (1987) gab er solch bekannten Märchenfiguren wie Aschenputtel und Rotkäppchen komplex-ausgebaute Musiknummern; für die Antihelden in „Assassins“ (1990) schrieb er einige seiner rührendsten, aufrichtigsten Musiknummern, die zurück gingen auf Werke von Berlin und Stephen Foster. Nicht jeder fühlte sich beim Zuhören von Lee Harvey Oswalds Gesang mit John Wilkes Booth behaglich, aber Sondheim versuchte die Möglichkeiten und Grenzen des Musicals zu testen.
James Lapine
James Lapine wurde am 10. Januar 1949 in Mansfield, Ohio, geboren. Er trat erstmals mit dem Theater Mitte der Siebziger in Kontakt, als er als Graphik-Designer an der „Yale School of Drama“ arbeitete, wo er seine Interpretation von Gertrude Steins „Photograph“ inszenierte. Bei einer Wiederaufnahme als Off-Broadway-Produktion im Jahre 1977 erhielt Lapine seinen ersten OBIE-Award. 1981 schrieb und inszenierte er „Twelve Dreams“ auf „The Public“, welches 1995 wiederaufgenommen im Lincoln-Center wurde. Außerdem führte er Regie bei „A Midsummer Night’s Dream“ (1982) und „The Winter’s Tale“ (1988). Er war der Regisseur von William Finns Musical „March of the Falsettos“ (1981) und Co-Autor von William Finn sowie Regisseurs von dessen Fortsetzung „Falsettoland“ (1990), und gewann den Tony Award für das Beste Buch für ein Musical für die darauffolgende Broadway-Produktion „Falsetto“ (1992).
Als Regisseur und Buchschreiber hat James Lapine dreimal mit Stephen Sondheim zusammengearbeitet: 1984 in „Sunday in the Park with George“, 1987 bei „Into the Woods“ und 1994 bei „Passion“. Zu den letzteren beiden führte er auch Regie bei den Fernsehproduktionen sowie bei einer neuen Produktion des Stephen Sondheim/George Furth-Musicals „Merrily We Roll Along“ (1985).
Weitere Theaterarbeiten umfassten das Schreiben und Inszenierungen einer Adaption von Nathanael Wests „A Cool Million“, benannt „Luck, Pluck & Virtue“ (1993) und das Verfassen von „The Moment When“ (2000).
Sein Film-Regie-Debüt feierte er mit „Impromptu“ (1991), einer Komödie über die Leben von Fredric Chopin, George Sand und Franz Liszt, in welcher Judy Davis, Hugh Grant und Julian Sands und erstmals in Hauptrollen Bernadette Peters, Mandy Patinkin und Emma Thompson mitwirkten. Es folgte 1993 „Life with Mikey“ mit Michael J. Fox und Nathan Lane.
Seine jüngsten Arbeiten umfassen die Inszenierungen von David Henry Hwangs „Golden Child“ (1996) und dem Broadway-Revival von „The Diary of Anne Frank“ (1997), er war Co-Autor des Buches für Williams Finns neues Musical „A New Brain“ (1998), führte Regie bei der TV-Adaption von Anne Tylers „Earthly Possessions“ (1999), inszenierte und schrieb das Buch für die Disney-Produktion „The Hunchback of Notre Dame“ (1999) und inszenierte die Broadway-Produktion von Claudia Shears „Dirty Blonde“ (2000) und 2002 das Broadway-Revival von „Into the Woods“.
James Lapine ist verheiratet mit Film-Regisseurin Sarah Kernochan.
Thomas Krieger
Aus dem Programmheft
Foyer
Lieber Zuschauer,
ich freue mich, Sie heute Abend als Gast des TheaterLaien e.V. begrüßen zu dürfen.
„Into the Woods“ geht es heute, und Sie dürfen gespannt sein auf eine Märchenwelt, wie Sie Ihnen bisher vielleicht unbekannt war. Auch wenn einem vieles am Anfang recht vertraut vorkommt und es einen noch einmal in seine Kindheitstage zurückführt, man vielleicht mitzittert, ob Rotkäppchen auch wirklich vom Wolf gefressen wird und Aschenputtel seinen Prinzen bekommt, so mag einem doch manches verfremdet erscheinen, nicht nur, weil ein Bäcker und seine Frau quasi als Fremdkörper und gleichzeitig Bindeglied durch jedes Märchen ziehen. Gerade im zweiten Akt sieht man klar den Unterschied zwischen Märchenwelt und der Realität und was passiert, wenn… Doch davon werden Sie ja noch genug im Laufe des Abends erfahren.
Wie so oft bedurfte es vieler Vorbereitungen, den heutigen Abend zu verwirklichen, angefangen von der Stückeauswahl, der Rollenbesetzung, der Orchesterzusammensetzung über zahlreiche Proben bis hin zum Herstellen des Bühnenbildes, der Requisiten und Kostüme und so vieles mehr, was im Hintergrund geschieht. Und das alles diesen Mal gespickt mit ein wenig Wehmut, da sich in den letzten Wochen immer mehr abgezeichnet hat, dass dies voraussichtlich das letzte Stück von Arne Kovac sein wird. Jener Arne Kovac, der seit 1991 als Begründer des „Jungen Borbecker Musiktheaters“ an allen Opern- und Musical-Produktionen als Gesamt- und Musikalischer Leiter beteiligt war und ohne den es, zumindest auf absehbare Zeit, mit dem Musiktheater nicht weiter gehen wird.
Genießen wir also, Sie und wir, lieber Zuschauer, heute Abend zum letzten Mal das Stimmen der Instrumente, den Gesang auf der Bühne und diesen ganz besonderen Flair, den das Musiktheater eben seit 13 Jahren versprüht.
Danken möchte ich bei dieser Gelegenheit allen Beteiligten, die sich mal wieder mit ihrem unermüdlichen Einsatz und mit Hilfe der ein oder anderen wohl unvermeidlichen Nacht- und Nebelaktion um dieses Projekt bemüht haben. Ebenso gilt mein Dank aber denjenigen, die uns in den vergangenen Jahren begleitet haben, sei es als Mitwirkende, als Zuschauer oder als Helfer im Hintergrund.
Weiter geht es in jedem Fall mit dem Schauspiel, fürs Musiktheater heißt es aber heute Abend möglicherweise zum letzten Mal: Vorhang auf, Licht an und Musik ab! Viel Vergnügen dabei!
Ihr Thomas Krieger
Phänomenologie der Bohne
„Elende, völlig Elende! Haltet von den Bohnen euere Hände zurück!“ (Empedokles)
Die Antwort auf die Frage danach, was Stephen Sondheim, Pythagoras von Samos und Kurt Tucholsky miteinander verbindet, ist im Grunde recht einfach: Bohnen.
Eine auf den ersten Blick ungewöhnliche, aber beim zweiten Hinsehen sich als literarisch, philosophisch und auch politisch bedeutsam entpuppende Antwort: literarisch, da Sondheim für sein Musical Into the Woods das Märchen Hans und die Zauberbohnen beträchtlich verfremdet; philosophisch, da Bohnen bei Pythagoras und seinen Schülern erstens etwas völlig anderes bedeuten als schlichtes Gemüse und zweitens weil aus dieser Bedeutung eine allgemeine menschliche Lebensregel abgeleitet wird (das Bohnenverbot); drittens schließlich politisch, da Bohnen bei dem deutschen Satiriker Tucholsky als heiter-absurdes Beispiel deutscher – vermeintlich tugendhafter – Gründlich- und Tüchtigkeit herhalten müssen.
Ob das Märchen Hans und die Zauberbohnen und das Bohnenverbot des Pythagoras tatsächlich in einer absichtsvollen Beziehung zueinander stehen, wird sich wahrscheinlich nicht beweisen lassen. Offenkundig jedoch scheinen die Parallelen: Hans steigt über die monumentale Bohnenranke in einen anderen Teil seiner alltäglichen Welt, um dann dadurch in vor allem materieller Hinsicht zu profitieren. Und auch andere verwenden die gewaltige Bohnenranke als Transportmedium: der Riese, und – in Sondheims Fassung – die Riesin; für alle drei aber ist das Bohnengewächs Verbindung zwischen dem einen und dem anderen Reich, zwischen einem Diesseits und einem Jenseits.
Bei Pythagoras nun ist das Bohnenverbot ein Verbot, weil „es ist genau das gleiche“ sei, „Bohnen zu essen und die Köpfe der Eltern.“ Dass dies ein Gleiches sein soll ergibt sich schlicht daraus, dass die menschliche Seele, so Pythagoras, nach dem Tod in andere Lebewesen übergehen kann und daher das Töten und Essen von Arten jener Lebewesen einem Mord gleichkomme. Die Bohne nun – und man erinnere sich jetzt an die an der Bohne auf- und absteigenden Riesen samt Hans – die Bohne zählt zu dieser Kategorie Lebewesen, da „durch den hohlen Stängel die Seelen auf die Erde zurückkehren können“! Was sich bei einer an dieser Stelle naheliegenden tiefenpsychologischen Interpretation des Märchens von Hans und den Zauberbohnen ergäbe, sei hier nicht weiter erörtert.
Um jedoch die Erörterung über die Bedeutung der Bohnen bei den Pythagoreern abzuschließen, sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass der Philosoph Empedokles von Akragas im 5. Jh. v Chr. nicht in solch vehementer Weise vor den Bohnen warnt, weil er um die berüchtigte blähende Wirkung der Hülsenfrucht fürchtet, sondern aus Gründen der Empfängnisverhütung und als Warnung vor übermäßigem Geschlechtsverkehr! Daher: „Elende, völlig Elende! Haltet von den Bohnen euere Hände zurück!“ Die Bohnen bedeuten hier also aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu den männlichen Zeugungsgliedern nichts anderes als Hoden, welche ja bekanntlich eine Schwangerschaft mitermöglichen – und letztere gilt es zu vermeiden!
Mit den vorsokratischen griechischen Philosophen ist die Phänomenologie der Bohne als literarische, philosophische und politische Hülsenfrucht aber keineswegs zu einem Ende gekommen: Während die Bohne in der Bibel ausschließlich als Nutzpflanze vorzufinden ist (2 Samuel; Ezechiel), bewahrt sie in der antiken Dichtung ihren Symbolgehalt (bei Aristophanes, Lukian, Martial und Homer), kann darüber hinaus ihren Platz in der klassischen deutschen Literatur behaupten (bei Grillparzer, Platen, Grabbe, Immermann und Thoma) und spielt zudem auf der Opernbühne immer wieder entscheidende Nebenrollen: in Busonis Turandot, in Humperdincks Hänsel und Gretel, in Sondheims Into the Woods und – nicht zu vergessen – in Alban Bergs Wozzeck, in der Wozzeck eine recht eigentümliche Diät vom exzentrischen Kompaniearzt verordnet bekommt: „Hat er schon seine Bohnen gegessen, Wozzeck? Nichts als Bohnen, nichts als Hülsenfrüchte! Merk‘ er sich’s!“
In unserem Alltag ist die Bohne zwar ein weltweites Grundnahrungsmittel, aber manchmal ist etwas „nicht die Bohne wert“, oder aber jemand hat „Bohnen in den Ohren“; und galt die Bohne im alten Ägypten als unrein, so ist sie in Japan noch heute ein Symbol für Fruchtbarkeit und Reichtum. Glück schließlich beschert eine in einen Kuchen eingebackene Bohne ihrem Finder, dem „Bohnenkönig“ (oder es wird angenommen, der Finder oder die Finderin würde sich zuerst verloben).
Aber ganz abgesehen von Glücksbohnen, von verhängnisvollen – aber dennoch operntauglichen! – Zauberbohnen und von Bohnen mit Seelenwanderungsoption, gelangt die Acker-, Puff-, Pferde-, Sau-, Vieh-, Garten-, Schmink-, Busch-, Stauden- und Veitsbohne erst in der Weimarer Republik zu angemessener politischer Ehre: „Am 17. Juli 1920 wurde durch Erlass II C Nr. 25436545/III 5A des Landwirtschaftsministeriums in Berlin das Reichsbohnenamt begründet. Chef des Reichsbohnenamts: Herr Prorektor A. Stellwagen.“ Letzterer nämlich hatte errechnet, dass „abgefallene Bohnen allein in der Provinz Sachsen, bei, sagen wir, einem Areal von, na, zwanzigtausend Morgen, imstande wären, die Festung Przemysl drei Monate lang zu ernähren… Er war ein tüchtiger Statistiker. Er setzte die Zipfelmütze ab. Das ging nicht.“ Kurt Tucholsky, dem wir diese Geschichte verdanken, stellt daher abschließend fest: „Und das Reichsbohnenamt blühte und gedieh, und Stellwagen blühte auch und gedieh auch, und Kindes- und Kindeskinder dieses Mannes werden noch in sein Amt eintreten können, für sie ist gesorgt, denn aufgelöst wird es nie – habt ihr schon einmal gehört, dass ein deutsches Amt jemals aufgelöst worden wäre-? […] Bohnen brauchen wir gar nicht. Ein Reichsbohnenamt – das brauchen wir!“ Na dann – ab in den Wald!
Adrian Niegot
Presse
TheaterLaien in der Märchenwelt
Musical am 5. und 6. März im MGB
Die TheaterLaien haben ein neues Programm zusammengestellt: Mit dem Musical „In the Woods“ sind sind sie am Wochenende, 5. und 6. März, in der Aula des Mädchengymnasiums Borbeck zu sehen.
Wer glaubt alle Märchen zu kennen, sie liebt oder hasst, sollte sich „In the Woods“ nicht entgehen lassen. Denn wenn Rotkäppchen, Aschenputtel, Hans mit der Bohnenstange und Rapunzel aufeinader treffen, geht das nicht ohne Reibereien. Aber kein Märchen ohne eine Lehre: Menschen (auch Märchenfiguren) sind nur überlebensfähig, wenn sie zusammen agieren.
Während im ersten Akt vier komplette Märchen durchgespielt werden, gibt es im zweiten Akt einige Überraschungen.
Die Aufführungen finden jeweils um 19 Uhr statt. Karten sind an der Abendkasse erhältlich.
Borbeck Kurier vom 03.03.2004
„Im Wald“ mit dem TheaterLaien
Borbeck. Am Donnerstag, 5. März, zeigt das TheaterLaien wieder eine seiner beliebten Aufführungen. „INTO THE WOODS“ geht es diesmal am Mädchengymnasium Borbeck ab 19 Uhr.
Musik und Text stammen von Stephen Sondheim, das Buch von James Lapine.
Anhand mehrerer Figuren aus Grimms Märchen (Rotkäppchen, Aschenputtel, Hans mit der Bohnenstange oder Rapunzel) wird gezeigt, dass die Menschen nur überlebensfähig sind, wenn sie zusammen agieren, anstatt ihre Partikularinteressen zu verfolgen. Im ersten Akt werden immerhin vier komplette Märchen durchgespielt, alles miteinander verwoben durch ein Bäckerehepaar, das zur Beseitigung eines Fluches vier Gegenstände auftreiben muss. Am Ende des ersten Aktes scheint jeder sein Ziel erreicht zu haben: Der Fluch ist gelöst, die Hexe jung und schön, Aschenputtel hat ihren Prinzen geheiratet, Rotkäppchen hat den Wolf überlebt, Hans mit der Bohnenstange ist reich und und und… Der Zuschauer ist fast geneigt nach Hause zu gehen, nur der Hinweis des Erzählers „Fortsetzung folgt“, einen Takt vor Schluss deutet darauf hin, dass es noch weiter geht.
Im zweiten Akt kommt dann alles ganz dicke: Hans mit der Bohnenstange hat nämlich im ersten Akt einer Riesenfamilie mehrere Dinge gestohlen und in einer Verfolgungsjagd hat ein Riese den Tod gefunden. Dessen Frau kommt nun im zweiten Akt auf die Bühne und trampelt auf der Suche nach Hans alles platt, was sich bewegt. Mehrere Leute sterben und die Leute erkennen, wie machtlos jeder einzelne gegenüber diesen Riesen ist.
Ein weiterer Spieltermin ist der Samstag, 6. März, um 18:30 Uhr Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt 4 Euro.
Karten gibt es im Internet unter »www.theaterlaien.de«, unter »www.musiktheater-borbeck.de« und an der Abendkasse.
Wochenpost Borbeck vom 21.02.2004
TheaterLaien ziehen in die Wälder
„Into the Woods“ heißt ein Theaterstück, dass die „TheaterLaien“ am Freitag und Samstag, 5./6. März, um 19 und 18.30 Uhr auf die Bühne der MGB-Aula an der Fürstäbtissinstraße bringen. Unter der Gesamtleitung von Arne Kovac erfahren die Zuschauer laut Programm anhand mehrerer Märchenfiguren aus Grimms Märchen, dass die Menschen nur überlebensfähig sind, wenn sie zusammen agieren, anstatt ihre Partikularinteressen zu verfolgen. Der Eintritt kostet 6/4 Euro., Karten gibt es an der Abendkasse und im Internet unter www.theaterlaien.de.
Borbecker Nachrichten vom 19.02.2004