Lustspiel in fünf Aufzügen von Tirso de Molina
Original-Titel: Don Gil de las calzas verdes
Überarbeitung von Oliver Schürmann
Bearbeitung von Thomas Krieger
Aufführungen am 8. und 15. März 2002
in der Aula des Mädchengymnasium Borbeck,
Essen
sowie am 28. Juni 2002
im Bürgerhaus Langenberg,
Velbert
Doña Juana ist mit Don Martin verlobt. Sehr zum Missfallen von Don Diego, dem Vater Don Martins. Daher ersinnt dieser die List, seinen einfältigen Sohn unter falschem Namen – Don Gil – nach Madrid zu schicken, um dort um die Hand von Doña Ines anzuhalten. Als Juana dies erfährt, reist sie selbst nach Madrid und gibt sich als Don Gil aus. Von diesem Don Gil ist Ines auch sehr angetan, nicht jedoch von Don Martin Gil. Sehr zum Leidwesen von Don Mendo, dem Verlobten von Doña Ines… Diese Verwechslungskomödie aus der Feder des Spaniers Tirso de Molina unter gründlicher Überarbeitung von Oliver Schürmann, in der außerdem noch grüne Hosen, viel Geld und geheimnisvolle Kinokarten für Verwirrung sorgen, steht im März auf dem Programm des TheaterLaien. Wir wünschen viel Vergnügen!
Inhalt
Erster Aufzug
Doña Juana reist mit ihrem Diener Lombardo nach Madrid. Ihr Verlobter Don Martin ist auf Befehl seines Vaters ebenfalls dorthin gereist, um unter dem falschen Namen Don Gil um die Hand der reichen Erbin Doña Ines anzuhalten. Damit glaubt der Vater Don Martins zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Einerseits hat er als Schwiegertochter die reiche Ines, andererseits kann Doña Juana keinen Prozess anstreben, da ja nicht Martin, sondern Gil Ines geheiratet hat. Da Juana nun von diesem Plan erfuhr, gibt sie sich selbst als Don Gil aus. In dieser Rolle beschäftigt sie den ihr zufällig über den Weg laufenden Tristan als Diener und steigt im Gasthaus Celia ab.
In der Zwischenzeit stellt sich Don Martin als Don Gil bei Don Pedro, dem Vater von Doña Ines, vor. Dieser ist zwar von Don Martin als Schwiegersohn nicht sonderlich angetan, wohl aber von der stattlichen Rente, die dieser in die Familie einbringt. So stimmt er der Heirat zu, hat aber Probleme, diese Entscheidung seiner Tochter beizubringen. Nicht nur, dass diese mit dem mittellosen Don Mendo zusammen ist, auch vor sonstigen Männerbekanntschaften schreckt sie nicht zurück.
Zweiter Aufzug
Als Doña Ines zusammen mit ihrer Freundin Clara und Mendo im Park spazieren geht, stellt sich Doña Juana diesen als Don Gil vor. Die Frauen sind sehr angetan von seinem Charme, was den eifersüchtigen Don Mendo vor Wut kochen lässt. Darüber hinaus bändelt auch noch Tristan mit Mendo an, was letzterem mehr als unangenehm ist. Als sich Juana, Tristan und Mendo verabschiedet haben, taucht Don Pedro mit Don Martin auf und stellt diesen ebenfalls als Don Gil vor. Die Frauen sind sehr verwirrt und Doña Ines will nur ihren Gil, während Clara offenkundig ihr Interesse für den zweiten Gil bekundet. Don Pedro versteht die Welt nicht mehr.
Doña Juana freut sich, dass ihr Plan geklappt hat und beauftragt ihren Diener Lombardo damit, Martin aufzusuchen und ihm zu sagen, sie würde in Essen in einem Kloster mit dem gemeinsamen Kind der beiden leben. So soll Martin keinen Verdacht schöpfen. Tatsächlich ist Martin, als er diese Nachricht erhält, so aufgewühlt, dass er sofort nach Essen reisen will, um Juana aufzusuchen. Da erscheint Osario mit Post von Martins Vater, in dem dieser nochmals seinen festen Willen bekräftigt, Martin solle Ines heiraten. Osario schenkt Martin zwei Kinokarten, damit er und Ines im Kino miteinander anbandeln können. Martin, der der Autorität seines Vaters folgt, zieht sofort los, um Ines einzuladen, als er auf der Straße Antonio, den Verlobten Claras, trifft. Dieser will Martin zur Rede stellen, da sich Clara seinetwegen von ihm abgewandt hat. Martin erklärt, er interessiere sich nur für Ines und schenkt dem traurigen Antonio die Kinokarten, damit dieser sich wieder mit Clara versöhnen kann. Leider verliert Martin bei dieser Begegnung einige Briefe, die Juana findet und so über die neusten Pläne informiert wird.
Dritter Aufzug
Die Geburtstagsfeier von Doña Celia, der Wirtin, scheint zur Farce zu verkommen: Don Pedro ist sauer auf seine Tochter, da diese von Don Martin Gil nichts wissen will. Don Mendo ist eifersüchtig, da Ines nur mit Doña Juana Gil herumflirtet. Mendos Freund Fabio rät ihm, den Spieß einmal herumzudrehen und mit Tristan anzubändeln. Osario rät Martin indes, sich als Don Gil mit Ines für den nächsten Abend im Park zu verabreden und lässt Ines einen Zettel zukommen. Außerdem soll Martin sich mit Clara im Park verabreden. Wenn Clara dann Martin und Ines im Park erwischt, soll Antonio auftauchen und Clara trösten. Juana ihrerseits hat den Zettel Don Martins entdeckt und will nun selbst als Don Gil in den Park kommen, ebenso wie Mendo, der, als er von Ines Verabredung erfährt, sich mit Tristan zur gleichen Zeit verabredet. Inzwischen findet Don Decio, der im Gasthaus ist, um Clara eine Erbschaft auszuzahlen, heraus, dass diese seine Tochter ist. Außerdem hat er sich in Celia verliebt, die jedoch seinen Heiratsantrag mit einer Ohrfeige abweist.
Vierter Aufzug
Martin erscheint im Park und wartet auf Ines. Als Juana auftaucht und Martin erkennt, gibt sie sich als Ines aus. Gerade als es zum Kuss kommen soll, bricht Martin ab und gesteht, dass er nur Juana liebt. Celia, die in den Park kommt, um sich bei Decio für ihr Verhalten zu entschuldigen, verwechselt diesen mit Antonio, der aufgrund der plötzlichen Freundlichkeit Celias und des Liebesgeständnisses die Flucht ergreift. Mendo und Tristan kommen gerade noch rechtzeitig dazu, als Ines erscheint. Als diese erkennt, dass die beiden sich näherkommen, fällt sie vor Schreck in Ohnmacht, kann aber gerade noch von Decio aufgefangen werden, der glaubt, Clara in den Armen zu halten. Als er der benommenen Ines erklärt, dass er ihr Vater ist, fällt diese erneut in Ohnmacht. Während Decio einen Arzt holt, kommt Antonio hinzu und verwechselt Ines ebenfalls mit Clara. Diese trifft inzwischen auf Martin. Als dieser aber erklärt, dass er nur Juana liebt, fühlt sie sich ausgenutzt. Ebenso wie Tristan, der Celia, die er für Mendo hält, dieses auch klar ins Gesicht sagt. Als schließlich auch noch Don Pedro hinzukommt, werden alle Verwechslungen aufgeklärt und fast alle liegen sich glücklich in den Armen. Da taucht Don Diego, der Vater Don Martins, auf und sieht sich um seine Pläne betrogen. Plötzlich fallen ihm zwei Kinder um den Hals und bezeichnen ihn als ihren Vater.
Fünfter Aufzug
Die Ereignisse im Park beschäftigen auch Fabio und Osario, zumal Maria, die Freundin Osarios, sich um ihren Kinobesuch betrogen sieht.
Die Stimmung im Gatshaus Celia ist derweil gereizt. Lombardo will zur Aufklärung beitragen. Tatsächlich erklären Celia und Decio ihre gegenseitige Liebe und räumen alle Missverständnisse aus dem Weg. Auch Clara erkennt, dass es für sie nur einen gibt – Antonio. Der ist überglücklich. Als Maria erkennt, welchen Weg die Kinokarten genommen haben, verzeiht auch sie ihrem Osario. Juana überredet Diego indes, sie als Schwiegertochter zu akzeptieren. Aufgrund des Skandals um seine angeblichen Kinder und der Tatsache, dass Juana plötzlich Geld in die Familie mitbringen würde, überlässt er seinem Sohn die Wahl, der sich für Juana entscheidet. Alle sind zufrieden, bis auf Don Pedro, der sich um die von ihm bezahlte Hochzeitsfeier betrogen sieht. Juana überredet Decio, einzugreifen. Dieser vermacht Mendo kurzerhand eine Erbschaft, so dass auch Mendo plötzlich als attraktiver Schwiegersohn für Don Perdo dasteht. Die Kinder werden von Celia und Decio adoptiert und so sind nun wirklich alle glücklich und zufrieden. Bis auf Tristan, der selbst nicht mehr weiß, wer er ist – doch Juana erklärt ihn kurzerhand zu Don Gil mit den grünen Hosen.
Thomas Krieger
Fotos
Besetzung
INSZENIERUNG UND BÜHNENBILD | Thomas Krieger |
GESAMTLEITUNG | René Böminghaus |
DOÑA JUANA | Claudia Rupp |
DON MARTIN, Doña Juanas Verlobter | Oliver Schürmann |
DON DIEGO, Don Martins Vater | Jörg Weitkowitz |
DOÑA INES | Melanie Zaparty |
DON MENDO, Doña Ines Verlobter | Björn Huestege |
DON PEDRO, Doña Ines Vater | Marc Hurlebusch |
DOÑA CLARA | Annika Rupp |
DOÑA CELIA, Doña Claras „Tante“ | Antonia Metken |
DON DECIO, Doña Claras Vater | Markus Foitor |
DON ANTONIO, Doña Claras Verlobter | Pasqual Temmesfeld |
LOMBARDO, Diener Doña Juanas | Sören Huestege/Thomas Krieger |
TRISTAN, Diener Doña Juanas | Marc Weitkowitz |
ein alter BUTLER Doña Juanas | Markus Müller |
OSARIO, ein Freund Don Martins | Thomas Krieger/Simon Jakobi |
MARIA, Osarios Verlobte | Pamela Maler |
FABIO, ein Freund Don Mendos | René Böminghaus |
MANRICO, angeblich Don Diegos Sohn | Frederic Thelen |
LEONORA, angeblich Don Diegos Tochter | Julia Thelen |
GITARRE | Sören Huestege |
BELEUCHTUNG | Burkhard Angstmann |
MASKE | Pamela Maler, Frauke Krüger |
BAUTEN | Jörg Weitkowitz, Marc Weitkowitz |
REQUISITE | Thomas Krieger |
KOSTÜME | Jörg Weitkowitz |
SOUFFLEUSE | Andrea Böminghaus |
ABENDKASSE | André Remy, Heike Rupp |
PROGRAMMHEFTVERKAUF | Britta Steffens, Frank Wilde |
Autor
Tirso de Molina
Tirso de Molina, eigentl. Gabriel Téllez, wurde 1584 in Madrid geboren und studierte an der Universität Alcalá. De Molina, spanischer Erzähler und Dramatiker des Siglo de Oro der spanischen Literatur, trat im Jahre 1601 in den Mercedarier-Orden (Ordo Beatae Mariae Virginis de Mercede) ein und legte sein Ordensgelübde in Guadelajara ab. Tirso wurde ein angesehener Theologe, verfasste eine Geschichte seines Ordens (Historia general de la Orden de la Merced) und wirkte seit 1618 in den Klöstern seines Ordens in Madrid, Toledo und Salamanca, seit 1645 war er Prior eines Klosters in Soria.
Tirso de Molina gilt neben Lope F. de Vega Carpio, dessen Freund und Schüler er war und P. Calderón de la Barca zu den drei Klassikern des spanischen Theaters. De Molina verfasste etwa 400 comedias und autos sacramentales (geistliche Stücke), von denen sich 86 erhalten haben. Er orientierte sich weitgehend am von Lope geschaffenen Typ der comedia, einer Mischung aus Tragödie und Komödie, viele darunter als Bearbeitung biblischer Stoffe. Einen religiösen Bezug weist auch El burlador de Sevilla (1630; Der steinerne Gast, 1959) auf, die älteste bekannte Fassung des Don-Juan-Stoffes, die ihm lange zugeschrieben wurde. Inzwischen gilt sein Zeitgenosse Andrés de Claramonte (1580-1626) als Verfasser des Dramas.
Seine Stücke handeln von Liebe, Ehre, Gnade und Recht. Symmetrie, scharfe Kontrastierung, Humor und Ironie, Symbolik, Spannung und Atmosphäre ist ihnen zu eigen. Seine Historiendramen und Charakterkomödien zeichnen sich durch eine treffsichere Charakterisierung der Personen aus, häufig stehen gewitzte, souveräne Frauengestalten im Mittelpunkt, so in La prudencia en la mujer (1633; Die Weisheit der Frauen). Zu den bekanntesten, heute noch gespielten Komödien zählt Don Gil de las calzas verdes (1635; Don Gil mit den grünen Hosen). Außer seinem dramatischen Werk verfasste Tirso de Molina auch zwei Sammlungen moralisch-religiöser Erzählungen, Cigarrales de Toledo (1621; Die Landhäuser von Toledo) und Deleytar aprovechando (1635; Belehrende Unterhaltung). Das narrative Werk ist allerdings heute kaum noch präsent, während seine Dramen nach wie vor durch ihren Wortwitz und den psychologischen Feinschliff der Personen bestechen.
Tirso de Molina, einer der größten spanischen Schriftsteller, starb am 12.03.1648 in Soria.
Marc Weitkowitz
Aus dem Programmheft
Foyer
Verehrtes Publikum,
ich freue mich sehr, Sie heute Abend als Gast des TheaterLaien begrüßen zu dürfen.
Wir präsentieren Ihnen dieses Jahr das Lustspiel „Don Gil mit den grünen Hosen“ von Tirso de Molina. Dieses im siebzehnten Jahrhundert entstandene Stück haben wir gründlich überarbeitet und bringen es in einer aktuellen, eurotauglichen Fassung.
Im Großen und Ganzen geht es um Liebe, Intrigen, grüne Hosen, Verwirrung, Don Gils und noch einiges mehr.
Typisch Verwechslungskomödie, oder?
Und nun seien Sie unser Gast und tauchen ein in eine Welt zwischen Essen und Madrid und genießen die nächsten zwei Stunden.
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, die durch ihr Engagement zur Umsetzung dieses Stückes beigetragen haben. Sowohl die aktiven Darsteller sind hier gemeint, wie auch die Personen (Doppelbesetzungen sind hier möglich!), die durch ihr Know-how vor und hinter der Bühne aktiv sind und zur Gestaltung eben dieser beigetragen haben. Mag es um die Bauten, Lichteffekte oder auch Kostüme und Requisiten gehen, alles hat mal wieder prima geklappt.
Auch die Public Relations (Plakate, Vorberichte, etc.) möchte ich lobend erwähnen, denn ohne diese wäre ein Teil des heutigen Publikums nicht anwesend.
Ebenfalls gilt mein Dank denen, die es uns ermöglicht haben, Proben durchzuführen: dem Gemeindezentrum Gerschede, der evangelischen Kirchengemeinde Dellwig-Frintrop-Gerschede, der Tuttmann Grundschule in Essen-Stoppenberg, der Stadt Essen und dem Ort des Geschehens: dem Mädchengymnasium Essen-Borbeck.
Und während Sie diese Zeilen lesen, (vorausgesetzt, Sie haben das Programmheft vor der Aufführung erworben und sitzen nun in einer der Reihen des Zuschauersaales) wird hinter der Bühne ein letztes Mal geschaut, ob alles stimmt: Make-up, Kostüm, die Textpassage, die bis jetzt immer hakte, die Frisur, das Bühnenbild usw. und dann heißt es auch schon: Vorhang auf!
Genießen Sie nun das, was wir in den letzten fünf Monaten für Sie auf die Beine gestellt haben.
Viel Spaß!
René Böminghaus
Wer hat die Hosen an?
Der Begriff „Hosenrolle“ bezeichnet im Theaterjargon eine Männerrolle, die von einer Frau dargestellt wird. Besonders in der Oper ist die Verwendung von Hosenrollen verbreitet. Oft sind es die Pagen-Rollen, die Textdichter und Komponisten dazu veranlasst haben, sich für eine weibliche Besetzung zu entscheiden. So schrieb Mozart seinen Cherubino in „Die Hochzeit des Figaro“ für einen Mezzosopran, ebenso verfuhr Richard Strauss mit Oktavian im „Rosenkavalier“ und dem Komponisten in „Ariadne auf Naxos“. Auch Besetzungen mit Sopran sind üblich, etwa bei Meyerbeer in den „Hugenotten“ oder bei Verdi im „Maskenball“. Warum sich gerade die Pagen dazu eignen, von Frauen gestaltet zu werden, ist nicht leicht zu erklären. Ein Grund mag sein, dass dem Pagen etwas Androgynes anhaftet, was nicht zuletzt noch Thomas Mann fasziniert hat.
Das Barockstück „Don Gil mit den grünen Hosen“ von Tirso de Molina führt den Begriff „Hosenrolle“ und die damit zusammenhängenden geschlechtlichen Verwirrungen ad absurdum, zumal in der Bearbeitung von Oliver Schürmann. Zwar ist Doña Juana das gesamte Stück hindurch Frau, aber ihr gelingt es, ihrer Umwelt überzeugend vorzuspielen, sie sei ein Mann, nämlich Don Gil. Einzig ihr homosexueller Diener, der sie für einen Pagen (!) hält, bemerkt, dass etwas nicht stimmt. Er stellt fest: „Ihnen wächst kein Bart, sie sprechen wie ein Sopran, sie heißen Don Gil. Das alles ist recht ungewöhnlich…“
Das Tragen von Hosen ist in diesem Stück nicht nur bloße Verkleidung, die der Verwirrung und der Unterhaltung des Publikums dienen soll. Es geht um viel mehr. Man kann zurecht mit dem bekannten Sprichwort fragen: Wer hat die Hosen an in dieser Komödie? Diese Frage ist einigermaßen schwierig zu beantworten, treten doch zahlreiche Akteure in Hosen, und vor allem grünen Hosen auf. Auf den ersten Blick sind Hosen naturgemäß ein Verkleidungsmittel par excellence, vor allem für Frauen. Durch das Tragen von Hosen gelingt es Doña Juana, sich männliche Privilegien zu erzwingen, quasi Puppenspieler zu werden, dessen Marionetten die anderen handelnden Personen sind.
Hosen, als ausschließlich Männern zugedachtes Kleidungsstück, sind erst seit dem Mittelalter bekannt. Je stärker sich Geschlechtsunterschiede mit dem Ziel einer hierarchischen gesellschaftlichen Ordnung herauskristallisieren, desto stärker treten auch Kleidungsunterschiede zwischen Männern und Frauen zu Tage. Dass sich Hosen als besonders vorteilhafte Beinbekleidung für Männer herausgestellt haben, kann damit begründet werden, dass Hosen günstige Kleidung für das mittelalterliche Reitervolk waren. Die Hose war im Mittelalter augenfälliger Bestandteil der ritterlichen Kriegstracht. Hinzu kam, dass die Kriegerkaste seinerzeit die gesellschaftlich tonangebende Schicht war. Diese Entwicklung betrifft aber im wesentlichen Westeuropa. In Arabien, Persien und in der Türkei trugen die Frauen schwerpunktmäßig Hosen.
Wie kommt es aber, dass es plötzlich möglich und sogar Usus wird, im spanischen Theater des ausgehenden 16. Jahrhunderts und des 17. Jahrhunderts Frauen in Hosen auftreten zu lassen? Der Grund kann nicht nur darin liegen, dass sich Hosen als effektvolles Verkleidungsmittel in den damals weit verbreiteten Verwechslungskomödien, den berühmten Mantel-und-Degen-Stücken, anboten. Fasst man darüber hinaus ins Auge, dass im 16. Jahrhundert das Auftreten von Frauen auf der Bühne verboten war, und statt dessen die Frauenrollen von sogenannten Mädchendarstellern gespielt wurden, wird klar, dass komplexere Zusammenhänge vorliegen müssen.
Dass Spanien eines der ersten Länder war, in denen Frauen auf der Bühne auftreten durften, lag nicht zuletzt am religiösen Weltbild dieser Zeit. Spanien weigerte sich, den Reformationsgedanken Martin Luthers, der weite Teile Europas ergriff, mit zu tragen. Statt dessen gab es in Spanien eine Gegenreformation. Das katholische Weltbild im Spanien des „Siglo de Oro“, des Goldenen Zeitalters – gemeint ist der Zeitraum von etwa 1580 bis etwa 1680 – fußte auf der Lehre, dass vor Gott alle Menschen gleich seien und nur ihre Handlungsweise, jedoch nicht die soziale Stellung zählte; denn der Mensch spielt eine ihm von Gott zugedachte Rolle, in der er sich bewähren muss. Diese Grundhaltung ermöglichte es auch Frauen, einen angemessenen Platz im öffentlichen Leben, aber auf der Bühne einzunehmen.
Ab Mitte des 16. Jahrhunderts löste sich das Theater in Spanien immer mehr aus den Fängen der Höfe. In den Städten entstand eine stetig wachsende Nachfrage nach Unterhaltung und Freizeitvergnügen. Die einzelnen Schauspielergruppen mussten ein großes Stückrepertoire aufbieten, um dem Publikum ständig Neues liefern zu können. Die Ansprüche an die Schauspieler stiegen enorm. Es kam zu einer Professionalisierung des Schauspielerberufes. Schauspieler galten bis dahin als Outlaws, als vogelfreies fahrendes Volk, die mit ihrem Improvisationstheater die Zuschauer, etwa auf Marktplätzen, zu unterhalten suchten. Mit der Professionalisierung des Schauspielerberufes ging auch einher, dass die Frauenrollen an Komplexität zunahmen. Wenn es unter den Schauspielern des fahrenden Volkes Frauen gab, so galt die völlige Entkleidung als der Höhepunkt des Auftrittes einer Schauspielerin, was nicht nur der Unterhaltung des männliches Publikums dienen sollte, sondern auch eine Bekräftigung der kirchlichen Vorstellung war, die Frau sei gemäß der neutestamentarischen Schöpfungsgeschichte etwas Primitives, Minderwertiges.
Im Zuge der Professionalisierung des Schauspielerberufes und auch im Zuge des sich seit der Renaissance wandelnden Realitätsverständnisses, wurden männliche wie weibliche Schauspieler immer stärker individuell nach ihren Fähigkeiten besetzt. Die weiblichen Rollen, durchaus auch Hauptrollen, wie in „Don Gil mit den grünen Hosen“, wurden zusehens differenzierter. Bei Tirso de Molina und seinen Zeitgenossen, etwa Calderón oder Lope de Vega, ist die Frau als zentrale Figur, als „Drahtzieherin“ der Handlung und als die Person, die (auch) die Hosen anhat, auf der Bühne gang und gäbe.
Björn Huestege
Literaturhinweise
Agheana, Jon T. The Situational Drama of Tirso de Molina, New York 1972
Butler, Judith Das Unbehagen der Geschlechter, Frankfurt a.M. 1991
Gumbrecht, Hans Ulrich Eine Geschichte der spanischen Literatur, Frankfurt a.M. 1990, besonders Bd. 1, S. 366ff.
Hecker, Kristine Die Frauen in den frühen Commedia dell’Arte Truppen, in: Die Schauspielerin – Eine Kulturgeschichte, hrsg. von Renate Möhrmann, Frankfurt a.M. 2000, S. 33-67
Krafka, Elke Die Hosenrolle am Theater – Kostümierung oder Grenzüberschreitung?, in: Sakkorausch und Rollentausch. Männliche Leitbilder als Freiheitsentwürfe für Frauen, hrsg. von Andrea Stoll und Verena Wodtke-Werner, Dortmund 1997, S. 35-54
Müller, Hans-Joachim Das spanische Theater im 17. Jahrhundert oder zwischen göttlicher Gnade und menschlicher List, Berlin 1977 (= Studienreihe Romania, Bd. 2)
Strosetzki, Christoph Calderón, Stuttgart 2001 (= Sammlung Metzler, Bd. 327)
Sullivan, Henry W. Tirso de Molina and the Drama of the Counter-Reformation, Amsterdam 1981
Tietz, Manfred Das Theater im Siglo de Oro, in: Spanische Literaturgeschichte, hrsg. von Hans-Jörg Neuschächter, Stuttgart 1997, S. 152-184
Wolter, Gundula Hosen, weiblich. Kulturgeschichte der Frauenhose, Marburg 1994
Presse
Mit grünen Hosen zum großen Erfolg
TheaterLaien überzeugten mit Don Gil
Hoch zufrieden und gut amüsiert verließen die insgesamt rund 350 Besucher die Aufführungen des TheaterLaien im Mädchengymnasium.
Das Stück „Don Gil mit den grünen Hosen“ des Spaniers Tirso de Molina erwies sich in der Überarbeitung von Oliver Schürmann als voller Erfolg.
Rund sechs Monate lang haben die Akteure des Borbecker Theaterensembles in das Stück investiert. Eine Arbeit, die sich gelohnt hat, wie die Zuschauer feststellen konnten.
Oliver Schürmann verstand es mal wieder prächtig, dem Stück durch seine Überarbeitung den passenden Stempel aufzusetzen. So waren bereits durch die verschiedenen Sprachstile die Charakterisierungen der Figuren herrlich zu erkennen. Der patente Diener Lombardo (Sören Huestege) plapperte in herrlichem Ruhrdeutsch daher, während der feine Notar und Anwalt Don Decio (Markus Foitor) gerne einmal seine Dialogpartner mit seinen Latein-Sprüchen konfrontierte. Und der naive Don Martin (Oliver Schürmann) verwechselte zur großen Freude der Zuschauer ununterbrochen „mir“ und „mich“.
Das Stück wurde von „TheaterLaien“ in die Neuzeit verlegt. Dona Juana (Claudia Rupp) reist mit ihrem Diener Lombardo nach Madrid, um endlich ihren Don Martin zu heiraten. Dieser gibt sich jedoch auf Drängen seines Vaters Don Diego (Jörg Weitkowitz) als Don Gil aus und hält um die Hand von Don Pedros (Marc-André Hurlebusch) Tochter Dona Ines (Melanie Zaparty) an. Als Juana dies erfährt, verkleidet sie sich selbst als Don Gil und erobert das Herz von Dona Ines. Davon ist auch der Verlobte von Dona Ines, Don Mendo (Björn Huestege), nicht angetan. Doch für ihn kommt es noch schlimmer. Tristan (Marc Weitkowitz), der von Don Juana als Diener angeheuert wurde, stellt ihm nach, worauf dieser auch auf Anraten seines Freundes Fabio (René Böminghaus) eingeht, um Ines eifersüchtig zu machen.
In der temporeichen Inszenierung von Thomas Krieger gab es noch allerhand Verwechslungen und Verwirrungen, aber am Ende wird alles gut. Dona Juana und Don Martin finden zueinander, Dona Ines und Don Mendo vertragen sich, Dona Clara (Annika Rupp) entpuppt sich als Tochter von Don Decio, dieser wiederum hat sich während des Stückes in die Wirtin Dona Celia (Antonia Metken) verliebt, die vor allem durch ihr lautes Organ hervorstach, aber dann doch eine liebevolle Mutter ist und die beiden Zwillinge (Julia und Frederic Thelen) adoptiert. Dona Clara ihrerseits bekommt am Ende ihren geliebten Antonio (Pasqual Temmesfeld) zurück, und auch Martins Freund Osario (Thomas Krieger) verträgt sich wieder mit seiner Maria (Pamela Maler).
Die zahlreichen Handlungsstränge wurden liebevoll und detailreich in Szene gesetzt, so dass der Zuschauer trotz der vielen verwirrenden Szenen stets im Bilde blieb. Gerade in der Parkszene wurden die Verwechselungen auf die Spitze getrieben. Einzig der geheimnisvolle Butler (Markus Müller) schien noch den Überblick zu behalten.
Alles in allem waren es zwei sehr gelungene Aufführungen, die von den Zuschauern mit minutenlangem Beifall bedacht wurden. Eine weitere Aufführung soll es am 30. Juni im Bürgerhaus Langenberg geben. Vorher präsentiert das TheaterLaien aber noch „Die Hochzeit des Figaro“. Das Junge Borbecker Musiktheater, das schon seit Jahren Opern und Musicals aufführt, hat sich dem TheaterLaien in diesem Jahr angeschlossen und zeigt im Sommer eine Neuinszenierung des bereits 1996 erfolgreich aufgeführten Stückes.
Borbecker Nachrichten vom 21.03.2002
Don Gil mit den grünen Hosen
TheaterLaien spielen Freitag im MGB
Die TheaterLaien zeigen am Freitag, 8. und 15. März, um 19 Uhr in der Aula des Mädchengymnasiums Borbeck das Lustspiel „Don Gil mit den grünen Hosen“ von Tirso de Molina in einer Überarbeitung von Oliver Schürmann.
Die Handlung des 1635 in Spanien uraufgeführten Stücks: Dona Juana (Claudia Rupp) ist mit Don Martin (Oliver Schürmann) verlobt. Sehr zum Missfallen von Don Diego (Jörg Weitkowitz), dem Vater Don Martins. Daher ersinnt dieser die List, seinen einfältigen Sohn unter falschem Namen – Don Gil – nach Madrid zu schicken, um dort um die Hand von Dona Ines (Melanie Zaparty) anzuhalten.
Als Juana dies erfährt, reist sie selbst nach Madrid und gibt sich dort ebenfalls als Don Gil aus. Von diesem Don Gil ist Ines auch sehr angetan, nicht jedoch von Don Martin Gil. Sehr zum Leidwesen von Don Mendo (Björn Huestege), dem Verlobten von Dona Ines…
Diese Verwechslungskomödie aus der Feder des Spaniers Tirso de Molina hat Oliver Schürmann gründlich überarbeitet.
Karten gibt es für fünf Euro (ermäßigt drei Euro) bei Tabakwaren Brunnert, Marktstraße 39, oder an der Abendkasse.
Borbecker Nachrichten vom 07.03.2002
Theater: „Don Gil mit den grünen Hosen“
„TheaterLaien“ im Mädchengymnasium
An den beiden Freitagen, 8. und 15 März, präsentieren die „TheaterLaien“ jeweils um 19 Uhr das Theaterstück „Don Gil mit den grünen Hosen“ in der Aula des Mädchengymnasiums Borbeck. Karten können dabei unter Telefon 6141645 vorbestellt werden.
Eine Verwechslungskomödie aus dem Jahr 1635 hat sich das Ensemble des Theater Laien mit dem Stück „Don Gil mit den grünen Hosen“ für die dies diesjährige Spielzeit ausgesucht. Inhaltlich geht es um die Verlobung eines Pärchens gegen den Willen des Vaters des Bräutigams. Der versucht seinen Sohn mit einer Dame aus Madrid zu verkuppeln, was wiederum der Verlobten nicht gefällt. Die Verlobte beschließt schließlich selbst nach Madrid zu fahren, was weitere Komplikationen erwarten lässt…
Borbeck Kurier vom 06.03.2002
Don Gil trägt grüne Hosen
Mit einem Lustspiel aus der Feder von Tirso de Molina bereichern die TheaterLaien den Borbecker Kulturfrühling.
Der Vorhang zu „Don Gil mit den grünen Hosen“ hebt sich am 8. und am 15. März jeweils um 19 Uhr in der Aula des Mädchengymnasiums, Eingang Drogandstraße.
Karten im Vorverkauf (5 Euro/ermäßigt 3 Euro) gibt es bereits ab dem 12. Januar bei Tabakwaren Johannes Brunnert, Marktstraße 39.
Borbecker Nachrichten vom 10.01.2002