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Der Tolpatsch

Komödie mit einem Fahrstuhl und fünf Aufzügen von Molière

Original-Titel: L’Étourdi

Überarbeitung von Oliver Schürmann

Aufführungen am 27. Februar und 6. März 1998
in der Aula der Geschwister-Scholl-Realschule,
Essen,
am 2. Mai 1998
im Gemeindesaal der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius,
Essen
sowie am 9. Mai 1998
in der Casa Nova,
Essen

Anselm und Pandolf wollen ihre Kinder Hippolyte und Lelio miteinander verheiraten. Hippolyte will jedoch Leander haben, der ist aber derzeit hinter Celia, der Sekretärin Truffaldins, her, in die sich auf dem Kostümball auch Andres verliebt. In der Zwischenzeit vergucken sich Celia und Lelio ineinander und bei dem Versuch, Celia von Truffaldin, der zudem seine verschollenen Kinder sucht, loszueisen und sie für sich zu gewinnen, rennt der tolpatschige Lelio von einer Katastrophe in die nächste. Da plötzlich und zum Entsetzen aller gibt man die Verlobung Hippolytes mit Pandolf bekannt. Der cholerisch, gutherzige Hotelportier Mascarill hat alle Hände voll zu tun, mit Siegasts Hilfe die Fäden zu entwirren, Schäden zu regulieren und ein gigantisches Feuerwerk an Happy-Ends zu entfachen.

Inhalt

Erster Akt

Truffaldin und seine Sekretärin wollen im „Hotel Anselm“ logieren. Lelio, einer der beiden Hotelportiers und Leander, ein Page, verlieben sich auf der Stelle in Celia. Lelio stiftet seinen Freund Mascarill, ebenfalls Portier des Hauses, an, ihm behilflich zu sein, Celia für sich einzunehmen.

Mascarill lässt sich eine ganze Palette pfiffiger Dinge einfallen, die jedoch von Lelio und dessen unüberlegter und vorschneller Handlungsweise jedes Mal zunichte gemacht werden. Zu guter Letzt wird auch noch Pandolf, Lelios Vater, eingespannt, der in dem Glauben handelt, seinen Sohn endlich mit Hippolyte, der Tochter des Hauses, zusammenzubringen. Diese hat ihrerseits Mascarill eingespannt, um sie mit Leander zu verbandeln.

Zweiter Akt

Mascarill wird zunehmend erboster über Lelios einmischen, während Hippolyte ihrem Vater Anselm eröffnet, dass sie Leander heiraten möchte und nicht, wie von ihm und Pandolf geplant, Lelio.

Mascarill verbreitet das Gerücht, Pandolf sei verstorben, um von Anselm Geld für eine angebliche Totenfeier zu leihen, mit dem er in Wahrheit Celia von Truffaldin loskaufen will. Als dieses scheitert, schleimt er sich bei Leander ein, der inzwischen mit Truffaldin gut Freund geworden ist und im Tausch mit einem wertvollen Ring Celia erhalten soll. Mascarill bietet sich als Zwischenhändler an, was Leander gerne zulässt. Im letzten Moment lässt ein von Lelio verfasster Brief den Deal platzen. Mascarill ist mit seinen Nerven am Ende und kündigt.

Derweil begegnen sich Celia und Hippolyte merklich kühl, werden aber schnell Verbündete im Kampf gegen die Männer, als Celia erklärt, dass sie gar nichts von Leander will.

Dritter Akt

Mascarill will seinen Ruf als Endlosideenlieferant nicht verlieren und entschließt sich doch, um seiner Ehre willen, alles daran zu setzen, Lelio (und andere) unter die Haube zu bringen. Er schmückt die Hotelhalle für den bevorstehenden Kostümball, als Andres eintrifft, der im Hotel logieren möchte.

Lelio und Celia kommen sich unter Hippolytes Einwirkung etwas näher.

Kurz vor Beginn des Balles trifft die von Mascarill herbeigerufene Siegast ein, mit deren Hilfe Celia entführt werden soll. Der Ball beginnt, jeder tanzt mit jedem, wobei offiziell keiner das Kostüm des anderen kennt. Punkt zwölf liegen sich drei Paare in den Armen, und eine Person ist entführt worden, doch als die Masken gelüftet werden, kommt für fast alle dank einiger Intrigen der Damen Celia und Hippolyte sowie der Tollpatschigkeit Lelios beim Austeilen der Kostüme ein böses Erwachen.

Vierter Akt

Hippolyte und Celia müssen verschiedene Liebhaber in ihre Schranken weisen, bevor Lelio unter der Führung Mascarills endlich dazu kommt, Celia einen Antrag zu machen. Das junge Glück wird jedoch getrübt durch Pandolfs Verlangen, mit Celias Vater, den sie nie kennen gelernt hat, zu sprechen und Truffaldins Vehemenz, Celia als Tochterersatz für seine verschollenen Kinder zu sehen und nicht hergeben zu wollen.

Derweil sind sich Leander und Anselm einig, dass Leander Hippolyte heiratet, die sich jedoch anscheinend aus Rache über Leanders Ausrutscher jetzt Pandolf zugewandt hat.

Mascarill kommt nach und nach hinter Hippolytes Spiel, sowie das Geheimnis um Truffaldins verschollene Kinder.

Fünfter Akt

An einer großen Festtafel soll die Verlobung Hippolytes mit Pandolf gefeiert werden. Diese und Leander protestieren energisch. Anselm als Brautvater weiß nicht mehr, wo ihm der Kopf steht, doch Mascarill ist ganz Herr der Situation und am Ende sind alle glücklich und zufrieden.

Oliver Schürmann

Fotos

Besetzung

INSZENIERUNG UND BÜHNENBILDOliver Schürmann
GESAMTLEITUNGThomas Krieger
  
TRUFFALDIN, reicher GeschäftsmannSimon Jakobi
CELIA, seine SekretärinClaudia Rupp
PANDOLFStefan Wiegand
LELIO, sein SohnMarc Weitkowitz
ANSELM, HoteldirektorMarc Hurlebusch/Oliver Schürmann
HIPPOLYTE, seine TochterFrauke Krüger
LEANDER, ein PageAlexander Knauer
ANDRES, ein junger MannRené Böminghaus
MASCARILL, Lelios FreundThomas Krieger
SIEGAST, eine FreundinAntonia Metken
Zwei KURIEREMartin Kiwitt, Thomas Chrosch
PUTZKRAFT, NachtwächterJörg Weitkowitz
  
BELEUCHTUNGDennis Kasten
BAUTENJörg Weitkowitz, Marc Weitkowitz
KOSTÜMEGisela Rosenblatt, Hannelore Weitkowitz
TECHNIKJörg Weitkowitz
GARDEROBE UND GETRÄNKEVERKAUFAndré Remy

Autor

Vor 325 Jahren stirbt, geboren als Sohn eines Tapezierers und königlichen Kammer­dieners, einer der größten Lustspieldichter der Weltliteratur – Jean Baptiste Molière (1622-1673).

Im Jahre 1622 wird Jean Baptiste Poquelin, der sich erst später Molière nennt, zu Paris geboren. Der 15. Januar 1622 ist als Geburtstag überliefert, jedoch nur als Tauf­tag urkundlich beglaubigt – in früherer Zeit wurden die Neugeborenen sogleich getauft. Die Poquelins waren eine schlichte Bürger­familie, deren häuslicher Sinn und Familien­geist sich u.a. durch auffallenden Kinder­reichtum bekundete. Die Familie, die allein durch Gewerbefleiß zum Wohlstand kam, vererbte den bürgerlich-demokratischen Sinn auf Molière. Die äußere Situation, der Beruf des Vaters als Tapezierer sowie die Nebenstellung als königlicher Angestellter, war eine günstige, denn das Geschäft war gewinnbringend und das Kammerdienertum keineswegs geringgeschätzt. Der Charakter des Vaters wird dem eines Spießbürgers damaliger Zeit zugeschrieben, den materiel­le Motive und kleinbürgerlicher Stolz erfüll­ten. Seinen ältesten Sohn, eben Molière, gab er auf, als dieser das Komödiantentum, die Schauspielerei ergriff. Erst als die Gunst der königlichen Gnade und der Glanz des hauptstädtischen Beifalls dem Sohne zu Teil wurde, nahm der alte Poquelin ihn als einen der seinen wieder auf.

Molière war gerade zehn Jahre alt, als 1632 seine leibliche Mutter stirbt. Viel ist aus die­ser Zeit nicht bekannt, und so auch nicht, welchen Einfluss sie auf ihren Zögling bis zu ihrem Tode ausübte, lediglich, dass der Vater den Söhnen nicht einmal den ganzen müt­terlichen Erbteil auszahlte.

Biographisch belegt ist, dass Molière bis zu seinem 14. Lebensjahr im Geschäft des Vaters tätig war und dieser ihn nur wenig lesen und schreiben erlernen ließ, weil für einen Gewerbetreibenden nicht mehr nötig sei. Unklar bleibt, welche Gründe den Vater bewegten, seinen ursprünglichen Vorsatz aufzugeben und den 14jährigen Knaben dem „Collège de Clermont“ und damit den wissenschaftlichen Studien zuzuführen.

In wie weit der Einfluss der Stiefmutter, geb. Fleurette, reichte, lässt sich ebenso nicht genau erörtern; allerdings gibt es auch keinen Grund zu der Annahme, dass Molière diese Stiefmutter meint, die er als habgierig und gefühllos in seinen Dichtungen vor­stellt.

Ob der junge Molière von seinem theater­liebenden Großvater mit Vorliebe für das Schauspiel erhellt worden ist, bleibt reine Spekulation …

Mit 18 Jahren erscheint seine erste Komödie „Elomire Hypocondre“ und er siedelt von Paris nach Orléans, um die Rechte zu studie­ren.

Das Collège suchte die dichterischen Talen­te seiner Zöglinge zu fördern, und so führte ihn der Unterricht mit dem Prinzen Conti, seinem späteren Gönner, sowie mit den Dichtern Chapelle und Cyrano de Bergerac zusammen. Von besonderem Einfluss mag wohl Gassendi, der philosophische Lehrer Molières, gewesen sein.

Der weitreichende Entschluss, Schauspieler zu werden, fällt im Jahre 1643, und im November des Jahres gastiert er als Mitglied des „Illustre Théàtre“. Er gewinnt die Ein­sicht, dass er zu einem bürgerlichen Berufe nicht tauge; aber auch die Liebe zur Komödiantin Madeleine Béjart habe zu seinem Entschluss beigetragen. Im besonderen die Abneigung gegen die engen Schranken eines bürgerlichen Berufes scheint den phantasievollen, hochstrebenden Jüngling dem Schauspielertum zugeführt zu haben. Dieses gilt für Molière aber nur als Übergang hin zum Dichtertum. Das Repertoire der Truppe war bunt zusammengewürfelt, die Szenerie primitiv und so wurde der talent­volle, durch das Erbe gut ausgestattete Molière mit Freuden aufgenommen. Doch die niedere Stellung des damaligen Schauspielertums und der Umstand, dass sich sein Dichttalent allmählich und spät ent­wickelte, lange zwischen Originalität und Nachahmung schwankte, ließen ihn nicht in verhältnismäßig kurzer Zeit zu einem großen, berühmten Dichter emporschwin­gen.

Das „Illustre Théàtre“, eine Wandertruppe, strebte bis 1658 vergebens danach, in der Hauptstadt festen Fuß zu fassen. Die soziale und künstlerische Bedeutung sowie die materielle Lage solcher Wandertruppen war mehr als zweifelhaft. Bald musste man sich der Pariser Konkurrenz geschlagen geben und von Gläubigern verfolgt in Provinzstäd­ten für Unterhalt sorgen.

Madeleine Béjart stieg zur Geschäftsführerin auf, Molière zu ihrem künstlerischen Leiter. Eben dieser, der sich in edelmütiger Unei­gennützigkeit für die Truppe verbürgt hatte, musste 1645 ins Schuldgefängnis, aus dem ihn ein edeldenkender Freund errettete. 1653 nahm sich Conti seines ehemaligen Schulkameraden an und ließ die Truppe in seinem Schloss spielen. Seit dieser Zeit war der materielle Erfolg durch die Fürsprache Contis und das häufige Auftreten durch­schlagender. Mit „Die lächerlichen Preziösen“ trifft er den Nerv der Adelsgesellschaft, über deren Umgangsformen sich das Volk amüsiert. Ludwig XIV. weist Molière das alte Palais Royal, dessen Theatersaal Kardinal Richelieu hat bauen lassen, zu.

Mit 40 Jahren heiratet Molière eine unehe­liche Tochter Madeleines, die als jüngere Schwester ausgegeben wird.

Molière ist ernstlich Lungenkrank. Im Jahre 1672 stirbt Madeleine, Molière schreibt sein letztes Stück, „Der eingebildete Kran­ke“ und bricht nach der vierten Aufführung 1673 mit einem Blutsturz zusammen.

Seine Gabe, auch im Schinerz den Funken Humor zu entdecken, auch im Lachen den tragischen Unterton hörbar zu machen, stempelt ihn zu einem der größten Lust-spieldichter der Weltliteratur.

Marc Weitkowitz

Aus dem Programmheft

Foyer

Liebe Zuschauerschaft!

Ich freue mich, Sie heute Abend als Zuschauer unsres neuen Stückes „Der Tolpatsch“ im Namen des Theater Laien begrüßen zu dürfen. Es wird Ihnen dieses Mal eine Komödie von Jean Baptiste Molière präsentiert, die aber (vielleicht ungewohnt gründlich) von Oliver Schürmann überarbeitet wurde. Gerade dadurch soll natürlich erreicht werden, was Sinn und Zweck einer Komödie ist, nämlich den Zuschauer, also Sie, zum Lachen zu bringen Und dieses natürlich mit zeitgemäßem Humor.

Während Sie aber nun hoffentlich erwartungsfroh im Zuschauerraum sitzen und sich in den nachfolgenden zweieinhalb Stunden sich ebenso hoffentlich köstlich amüsieren, sitzen hinter dem Vorhang auf der Bühne die Akteure, die während der vergangenen Monate wieder einmal eine Menge Zeit, Arbeit, Mühe und vieles mehr investiert haben, um den heutigen Abend zu einem Erfolg werden zu lassen. Und sicherlich wird dem ein oder anderen durch den Sinn gehen, ob dies alles sich gelohnt hat, ob man genug getan hat und noch einmal mehr oder weniger vergnügt auf die zurückliegende Zeit zurückblicken. „Hoffentlich geht alles gut“, wird sich der eine denken, während ein anderer gar befürchtet, seinen Text vergessen zu haben, wiederum einem anderen fehlt ein wichtiges Requisit, ein vierter mag still in einer Ecke sitzen und sich weigern, die Bühne zu betreten, der nächste hektisch noch einmal alles kontrollieren, bevor der große Augenblick da ist und der Vorhang sich öffnet.

Ein großes Dankeschön möchte ich noch all denjenigen aussprechen, die vor und hinter den Kulissen den heutigen Abend ermöglicht haben und natürlich Ihnen, dafür, dass Sie gekommen sind, um sich unsere Arbeit anzusehen, deren Früchte Sie und Ihr Applaus sind.

Bleibt mir an dieser Stelle nur noch, Ihnen viel Vergnügen zu wünschen…

Thomas Krieger

Von Molières „L’Étourdi“ zu Schürmanns „Tolpatsch“

Ein Klassiker der französischen Literatur steht heute auf dem Programm des Theater Laien, Jean-Baptiste Molière, der große Meister der Komödie, und anders als die Dramen aus den Federn eines Shakespeare oder Goethe, die mit ihrer philosophischen und gesellschaftskritischen Lehre wahrlich zeitlos dahintreiben und ständig aktuell sind, ist die Komödie stets ein Kind ihrer Zeit, wie ein Witz, der einige Wochen überall zu hören ist, aber schon bald nicht mehr als ein müdes Grinsen hervorruft. Daher nimmt es nicht Wunder, dass uns ein Stück präsentiert wird, das nicht nur „gründlich entstaubt“ erscheint, sondern bei dem man sich wahrhaft anstrengen muss, um zwei oder drei zusammenhängende Sätze des Urtextes zu entdecken.

Doch hier reiht sich der junge Autor Oliver Schürmann ein in eine lange Tradition der Bearbeitung bzw. der Ausschlachtung älterer Werke: Der „Tolpatsch“ wurde in seinen Grundzügen schon in attischen Amphitheatern vor der Zeitenwende gespielt, und hierher stammt auch die Figurenkonstellation der „Freien Bürger“ Lelio, Anselm und Pandolf, die den Sklaven Celia und Mascarill gegenüberstehen. Während Molière diese Stände unverändert aufgreift, obgleich es auch dem Publikum des siebzehnten Jahrhunderts sicherlich nicht leicht gefallen sein dürfte, sich in diese Gesellschaftsordnung hineinzudenken, macht Schürmann den Schritt hin zur Neuzeit und erschafft die moderne Sklaverei einer Sekretärin oder eines Hoteldieners. Den größten Teil der Handlung hat Molière vom italienischen Komödiendichter Nicolo Barbieri abgeschrieben, allein die Übersetzung der Hauptfigur „Scappino“ ins französische „Mascarille“ ist sein Werk. Dazu hat er aus einem Schubladenstück flacher Figuren eine etwas anspruchsvollere Charakterskizze gemacht, die zumindest bei „Mascarille“ ausgeführt wird, nicht zuletzt, weil der Meister selbst denselben im „L’Étourdi“ zu verkörpern pflegte.

Wichtig für das Verständnis des Stückes und für die notwendigen vorgenommenen Veränderungen sind die Grundprinzipien der Molièreschen Komik, einer Komik des Charakters, der Situation und des Wortes: Wollen wir uns diesen drei Techniken nacheinander annähern und sehen, was Molière bzw. Schürmann daraus im „Tolpatsch“ gemacht haben.

Die Komik des Charakters versteht sich als Skizze von Menschen oder Typen, die nicht in ihre Umgebung passen, sich nicht flexibel auf Veränderungen im Laufe der Handlung einstellen können und so stets irgendwie deplatziert erscheinen. Im „L’Étourdi“ ist dies in erster Linie der Titelheld, der zu bedauernde Lelio, der mit viel Gefühl und Engagement um seine Liebe Celia ringt, aber sich selbst dabei stets im Wege steht. Mal ist es purer Zufall, dass er einer Ausheckung seines Dieners Mascarill unkundig diesem in die Parade fährt, mal fragt man sich, ob jemand im wahren Leben wirklich so tölpelhaft sein kann. Oliver Schürmann hat dies Prinzip beibehalten; auch über seinen Lelio lässt es sich herzlich lachen oder weinen, wenn er die Kostüme für den Maskenball vertauscht oder im Übereifer sich als Fachmann im Simpson-Prozess beweisen will.

Das zweite ist die Situationskomik, die sich in erster Linie in einer Zusammenstellung unerwarteter Handlungsstränge und Verhaltensmuster ausprägt: So wirkt das Erscheinen des totgeglaubten Pandolf auf Anselm völlig unverständlich und lässt ihn an seinem Weltbild zweifeln, ebenso frohlockt der Zuschauer bei anderen Streichen Mascarills, weil er sich im Besitz der Wahrheit weiß im Gegensatz zu den Figuren auf der Bühne, die sich noch redlich um die Aufklärung jedes einzelnen Phänomens bemühen müssen und uns dabei mal in ihrer Unzulänglichkeit, mal in ihrer Pfiffigkeit ein Schmunzeln zu entlocken wissen. Meisterhaft wirkt hier die zentrale Tanzszene im dritten Akt, eine Neuerung Schürmanns in alter aristotelischer Deutung des dritten Aktes als Spannungshöhepunkt des Dramas, hier werden Verwirrungen gesponnen, von den Figuren geplant und sich kreuzend – so Hippolytes Annäherungsversuche an den alten Pandolf, Celias Vorstoß Richtung Lelio und die Vorbereitungen für die mitternächtliche Entführung – aber auch höhere Gewalten helfen mit, das Verwirrspiel auf die Spitze zu treiben – da wird Andres eingeführt und direkt dritter Bewerber um Celias Gunst, da bringt Lelios „fehlerhafte“ Kostümverteilung Truffaldin und Leander zueinander und alle klugen Pläne durcheinander – kurzum, alles, was bis dahin einer Klärung entgegenzustreben schien, wird gründlich aufgemischt, umgerührt und den beiden letzten Akten zur Entknäuelung übergeben.

Last, but not least ist da noch die Komik des Wortes, ein vielseitiges Mittel, das Molière und Schürmann gleichermaßen beherrschen und jeder in seiner Zeit und Sprache trefflich zu verwenden weiß. Hierzu gehört der spontane Wechsel von lyrisch-tänzerischen Versen zu derber Gassensprache ebenso wie der feine Wortwitz, der wie ein roter Faden auch die banalsten Gespräche durchzieht. So ist im Titel aus dem etwas antiquierten Terminus „in fünf Aufzügen“ die spritzige Formulierung „Komödie mit einem Fahrstuhl und fünf Aufzügen“ entstanden, um Wortklauberei geht es auch in der kleinen sketchartigen Episode, in der Mascarill Anselm seine Geldbörse abluchst und Lelio sie kurz darauf wieder verliert: Dieses vom ostdeutschen Kabarettisten-Duo „Herricht und Preil“ entlehnte Motiv macht deutlich mehr her als der profane Diebstahl der Börse in der Molièreschen Fassung, und, dessen sei man sich stets eingedenk, solch eine Komödie lässt sich problemlos um einige Episoden erweitern oder raffen, ohne die Aussage oder Wirkung des Stückes zu zerstören.

Vieles ließe sich noch anmerken, an versteckten Gags und offensichtlichen „Schenkelklopfern“, und womöglich ist eine vollständige Aufzählung noch weniger möglich als bei einem moralinsauren Lehrstück, denn jedermanns Humor ist ein anderer, dieser mag über eine Formulierung schmunzeln, während jener sich köstlich über eine bewusst ungeschickte Geste amüsiert. Und hierin liegt der große Schatz einer so vielschichtigen Komödie, dass auch beim zweiten oder dritten Besuch das Entdecken neuer Aspekte der Erheiterung das Gähnen über Altbekanntes überwiegt.

Man kann abschließend festhalten: Aus einem alten, guten Stoff sind schon viele bunte Kleider genäht wurden, Oliver Schürmann hat mit seinem „Tolpatsch“ ein weiteres Glanzstück hinzugefügt, welches aus dem großen „Original“ Molières bestimmt nichts Schlechteres gemacht hat.

André Remy

Zitate aus der Probenarbeit

Oliver Schürmann zu Marc Hurlebusch und Alexander Knauer während der Tanzprobe:
„Ja, […] ihr müsst mit den Füßen noch gucken.“
Oliver Schürmann zu Frauke Krüger:
„Du steht da so am Tresen und sortierst ein paar Tiere! Nee, sortierst Papiere und spinnst Intrigen.“
Oliver Schürmann zu Stefan Wiegand:
„Nicht, dass du jetzt den ‚Otto-Wiesel-Gang‘ einlegst. Du als alter Sack bist jetzt hinter dem Mädchen her …“ –
Simon Jacobi:
„Was ist denn ein Portugiesengang?“
Oliver Schürmann:
„Von’er Akustik her musst du noch’n bisschen lauter!“

Presse

Theater Laien präsentierten einen mitreißenden Tolpatsch

Borbecker Schauspielgruppe demnächst in der Casa Nova

„Ein herrlicher Abend“, schwärmten viele der rund zwei­hundert Besucher, die in die Aula der Geschwister-Scholl-Realschule gekommen waren, um die Moliérs Verskomödie „Der Tolpatsch“ zu sehen. Das „Theater Laien“ hatte – in einer gründlichen Überarbei­tung von Oliver Schürmann – das 1655 in Lyon uraufgeführte Stück, inszeniert und es geschafft, die Zu­schauer – wie einst – mitzureißen.

Geradezu phantastisch, welche Ausdruckskraft und gleichzeitig kindliche Naivität der Titelheld, Marc Weitkowitz, dem Tolpatsch – alias Lelio – zu verleihen wußte. Dieser bedauernswerte Held, ringt um seine geliebte Celia mit viel Ge­fühl und Engagement, steht sich dabei aber immer wieder selbst im Wege.

Ebenso großartig verstand es Thomas Krieger der beherrschen­den Figur, Mascarill, die Pfiffigkeit zu geben, die die Zuschauer immer wieder zum Schmunzeln und La­chen hinriß, vor allem weil Masca­rill sich selber persiflierte. Origi­nell war auch die Sprache, die sich aus einer Mischung aus Gassenjar­gon, Küchenlatein und lyrisch-tän­zerischen Versen zusammensetzte.

Feiner Witz und Wortklauberei durchzogen wie ein roter Faden selbst die banalsten Gespräche. Da­bei hält sich die Aufführung weder sprachlich noch inhaltlich skla­visch an die Vorgaben von Jean Baptiste Molière. Dennoch reiht sich Oliver Schürmann mit seiner spritzig modernen Bearbeitung in eine lange Tradition ein. Welch fei­nen Wortwitz er dabei beherrscht, verrät bereits der Titel Werkes: „Der Tolpatsch. Komödie mit einem Fahrstuhl und fünf Aufzügen.“

Interessant die Inszenierung: Oliver Schürmann übersetzt das Stück in die Neuzeit, es spielt in einem Hotel. Der junge Hotelpor­tier Lelio (Marc Weitkowitz) ist verliebt in Celia (Claudia Rupp), die Sekretärin von Truffaldin (Si­mon-Alexander Jakobi), der sie an­geblich gegen eine hohe Ablöse­summe von einem anderen Arbeit­geber übernommen hat.

Um Celia zu gewinnen, muß Le­lio sie Truffaldin abhandeln. Das ist aber nicht einfach: Erstens braucht er dazu Geld, zweitens muß er sich vor seinem Vater in acht nehmen, der ihn mit Hippolyte (Frauke Krü­ger) verheiraten will, und drittens hat er einen Rivalen, Leander (Alexander Knauer), der ebenfalls in Celia verliebt ist.

Lelios Freund und ebenfalls Ho­telportier Mascarill (Thomas Krie­ger) ersinnt eine Menge Möglich­keiten, um Geld aufzutreiben und um alle Schwierigkeiten, die sich der Verbindung seines Freundes mit seiner Angebeteten entgegen­stellen, zu überwinden; doch ist es nicht zuletzt der unbesonnene Le­lio selbst, der den Erfolg von Mas­carills Gaunereien und Intrigen immer wieder verhindert.

Mascarill wird böse: „Die Liebe macht blind, taub – aber leider nicht stumm!“ Schließlich droht er, seinen Freund zu verlassen, ist dann aber bereit, ihm weiterhin zu helfen – nicht nur aus Freund­schaft, sondern auch, um sich und seinen Ideenreichtum („Im Schwei­ße meines Angesichts ließ ich ewig meine grauen Zellen arbeiten…“) nicht als gescheitert erklären zu müssen.

Den Höhepunkt aller Intrigen und Verwechslungen bietet schließlich der Maskenball. Hier taucht nicht nur ein weiterer Be­werber um Celias Gunst auf: An­dres (René Böminghaus). Hier bringt vor allem Lelios verkehrte Kostümverteilung alle Pläne durcheinander. Sie führt schließlich sogar dazu, daß – wie könnte es fast schon anders sein – die falsche Person entführt wird, nämlich nicht wie geplant Celia, sondern Lelio selbst.

Die beiden letzten Akte bringen dann die Auflösung. Es stellt sich nämlich heraus, daß Celia Trufall­dins Tochter ist. Bei einer gemein­samen Festtafel darf Lelio sie daher heiraten, und Leander wird Hippo­lyte zur Frau nehmen, die ihn im­mer geliebt hat.

Ende gut, alles gut, möchte der Zuschauer, dessen Zwerchfell vor Lachen bereits kräftig strapaziert wurde, nun gerne sagen, als die Ak­teure auf der Bühne alle nach ih­rem Glas greifen, um auf das glück­liche Ende anzustoßen. Aber natür­lich: Lelio stößt sein Glas um. „Du Tolpatsch!“ ruft da abschließend sein Freund Mascarill.

Die nächsten Vorstellungen: am 2. Mai, kath. Kirchengemeinde St. Bonifatius in Huttrop, am 9. Mai, Casa Nova, Schul- und Amateurt­heatertreffen, jeweils 19 Uhr.

Borbecker Nachrichten vom 12.03.1998

Komisch und temperamentvoll

Theater Laien bringen Molieres ,Tolpatsch‘ auf die Bühne

Wenn es um die Liebe geht, verstehen Frauke und Clau­dia (beide 19 Jahre alt) keinen Spaß: Wie zwei gereizte Katzen fauchen sich die Mädchen an, mit funkeln­den Augen und ausgefahrenen Krallen. Immerhin kann ja nur ei­nes von ihnen den (scheinbar von beiden) geliebten Mann gewinnen, und genau das soll sich gerade ent­scheiden. Aber kurz bevor die Ei­fersuchtsszene in Mord und Tot­schlag ausartet, fährt Oliver dazwi­schen: „Noch einmal bitte, aber mit etwas mehr Temperament!“ Zufrie­den betrachtet der junge Regisseur seine Gruppe: Die 14 Borbecker „Theater Laien“ sind während der Probe mit Feuereifer bei der Sache.

Ein paar Minuten später sitzen die beiden Freundinnen einträchtig vor der Bühne in der Aula der Geschwister-Scholl-Realschule, kommentieren sachkundig die Darstellung ihrer männlichen Part­ner und soufflieren auch schon ein­mal, wenn einer der jugendlichen Helden in Schönheit erstarrt, weil der Text noch nicht richtig sitzt.

Ein buntes Verwirrspiel mit Lie­be, Intrigen, komischen Mißver­ständnissen und einer überra­schenden Auflösung, so präsentiert das jüngste Essener Laientheater (Alter zwischen sieben bis 25 Jah­ren) die von Oliver Schürmann ent­staubte und aufgepeppte Komödie „Der Tolpatsch“ des französischen Lustspielklassikers Jean Baptiste Moliere (1622-1673).

Spaß macht schon das Zusehen bei der Probe, Spaß bereitet offen­sichtlich den engagierten Darstel­lern das abendliche Üben (zweimal pro Woche), und Spaß werden wohl auch die Zuschauer haben, wenn das Stück am 27. Februar zum er­sten Mal über die Bühne geht. Ein bißchen Erfahrung mit dem Theater haben sie schon, die jun­gen Leute, die ihren Feierabend so ganz anders gestalten als viele Al­tersgenossen. Ihr erstes gemeinsa­mes Stück „Cyrano de Bergerac“, Versdrama von Edmond Rostand, wurde bei der Uraufführung im Mai 1997 gleich ein Erfolg: Das Pu­blikum in der Aula der Borbecker Realschule war bei den beiden Vor­stellungen hellauf begeistert. Scha­de nur, daß eine weitere Auffüh­rung in der Innenstadt wegen Raumproblemen abgesagt werden mußte.

Thomas Krieger und Oliver Schürmann, die „Senioren“ der Theater Laien (beide Jahrgang 1972 und Abitur 1992), engagierten sich schon während ihrer Schulzeit am Gymnasium Borbeck an der Prin­zenstraße bei verschiedenen Thea­terinszenierungen. Seit der ge­meinsamen Aufführung von „Die pfiffige Magd“ 1994 kooperieren der Bankkaufmann Thomas und der Altenpfleger Oliver in ihrer Frei­zeit wechselseitig als Autor, Inten­dant, Regisseur und Schauspieler.

Dabei erweist sich Thomas im­mer mehr als talentierter Komiker, während Oliver bei der Moderni­sierung der Komödie von Moliere und als sorgfältig planender und auch schon einmal energisch auf­tretender Leiter der Proben und Aufführungen bei seinen Kollegen und Kolleginnen Respekt genießt.

Die eindrucksvollste schauspie­lerische Leistung im Lustspiel von Schürmann/Moliere liefert wohl Marc Weitkowitz (geb. 1974, Abitur am Alfred-Krupp-Gymnasium, Student der Geographie), in seiner Rolle als Tolpatsch. Mit seiner aus­drucksvollen Gestik und Mimik, besonders jedoch mit seiner deutli­chen Aussprache – selbst sein Flü­stern ist noch in der letzten Reihe zu verstehen – bietet der in seinem Übereifer unglückselige und den­noch liebenswerte „tumbe Tor“ eine Leistung, die neben schaden­frohem Lachen auch spontane Sympathie bei den Zuschauern er­weckt.

Glücklich gewählt wurden auch die beiden weiblichen Hauptrol­len: Die temperamentvolle Frauke Krüger als Hyppolyte und die cool wirkende Claudia Rupp als Celia, beide Schülerinnen der Jahrgangs­stufe 12 am Gymnasium Borbeck, besiegen als scheinbar verfeindete, in Wirklichkeit verbündete „Riva­linnen“ die kurzsichtigen „Herren der Schöpfung“.

Hervorzuheben wären noch die beiden Jüngsten: Martin Kiewit (zwölf Jahre, Schüler am Gymbo) und das Nesthäkchen Thomas Chrosch (sieben Jahre) zeigen in ih­ren Nebenrollen Spielfreude und amüsieren die Zuschauer durch ihre Natürlichkeit.

Aufführungen sind am 27. Fe­bruar und am 6. März, jeweils 19.30 Uhr, in der Geschwister-Scholl­Realschule. Karten (8 DM, ermäßigt 5 DM) gibt es im Gymnasium Borbeck und im Blumenhaus Schürmann, Marktstraße 12.

Borbecker Nachrichten vom 26.02.1998

Theater Laien mit Moliere

Premiere Ende Februar in Geschwister Scholl

Die Jugend-Schauspielgruppe „Theater Laien“ aus Borbeck, die sich im vergangenen Jahr erfolg­reich mit dem Klassiker „Cyrano de Bergerac“ vorstellte, wandelt weiter auf den Spuren französi­scher Meister.

Nun bringen die Mimen Molie­res „Tolpatsch“ auf die Bühne. Die gründlich entstaubte und in die Neuzeit versetzte Komödie handelt von einem verliebten jungen Mann, der sich äußerst ungeschickt anstellt. Selbst die li­stig erdachten Pläne zu Erobe­rung der Angebeteten, die sein Freund für ihn schmiedet, macht er ungewollt zunichte. Kompli­ziert wird es, als sich ein Neben­buhler einstellt… Es gibt Intri­gen, vielerlei Verwechslungen und allerlei Durcheinander.

Die Premiere des pointenrei­chen Stücks ist am Freitag, 27. Fe­bruar, um 19.30 Uhr in der Aula der Geschwister-Scholl-Real­schule. Eine weitere Vorstellung gibt es dort am 6. März. Karten ko­sten 8 DM (ermäßigt 5 DM) und sind im Vorverkauf im „Haus der Blumen“ Schürmann, Marktstra­ße 12, erhältlich.

Borbecker Nachrichten